Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
Vom Netzwerk:
vorbei, die am Empfang auf Yardley Acheman wartete, und ging zur Bar an der Ecke. Dort trank er den ganzen Nachmittag über Bier. Als ich ihn nach der Arbeit traf, saß der Schlips immer noch korrekt über dem obersten Hemdknopf. Er hockte in einer Sitzecke an der Wand, den Kopf an ein Plastikkissen gelehnt, mit glasigen Augen. Ansonsten war ihm nicht anzumerken, dass er betrunken war.
    Ich holte mir ein Bier, setzte mich und wollte mit ihm anstoßen. »Auf die neue Mrs. James«, sagte ich, und er berührte meine Flasche mit dem Hals seiner Flasche, und wir tranken.
    »War die Kleine von der
Sun
noch da, als du gegangen bist?« fragte er ein oder zwei Biere später.
    »Sie wartete immer noch auf Yardley«, antwortete ich.
    Er dachte einen Augenblick nach und sagte: »Wenn sie doch bloß verschwinden würde.«
    »Ich glaube, mit ihr stimmt was nicht«, sagte ich.
    »Wenn sie doch bloß alle verschwinden würden.«
    »Wer?«
    Er lächelte und trank sein Bier. »Alle«, sagte er und hielt wieder die Flasche über den Tisch und stieß mit mir an. Und dann lachte er.
    ICH WAR HALB BETRUNKEN und auf dem Weg zurück zur Zeitung, als ich sie sah, wie sie vom Parkplatz kamen. Zuerst Helen Drew in einem Ford, dann Yardley Acheman in seinem Buick. Mit einer halben Minute Abstand. Sie fuhr um die Ecke, wurde langsamer und hielt im Rückspiegel nach ihm Ausschau, und als er ebenfalls um die Ecke bog, verschwanden sie zusammen in Richtung Stadtmitte.
    UM ZEHN UHR FRÜH sah ich Helen Drew in meiner Pension wieder. Ich hatte meinen freien Tag und war gerade vom Schwimmen zurück. Wahrscheinlich hatte sie nach mir gesucht. Als sie anklopfte, trug ich noch meine Badehose, und der Anblick war ihr offenbar peinlich. Sie entschuldigte sich schier endlos für ihre Aufdringlichkeit.
    »Ich habe bei der Zeitung angerufen«, sagte sie, »aber die Frau wollte Ihnen nichts ausrichten.«
    Die Empfangsdame der Zeitung weigerte sich, Nachrichten für Sekretärinnen oder Redaktionsassistenten weiterzuleiten, da die in ihren Augen nicht zum eigentlichen Mitarbeiterstamm zählten und deshalb kein Anrecht auf einen Gefallen hatten.
    Ich sah mich in meinem Zimmer um, doch auf den meisten Sitzgelegenheiten lagen Anziehsachen. Die Bettlaken auf dem Bett waren zerwühlt, ich konnte mich nicht erinnern, wann ich sie zuletzt gewechselt hatte. Sie warf einen Blick zurück zur Eingangstür, da es ihr offenbar unangenehm war, im Hausflur zu stehen.
    Ich machte die Tür ein wenig weiter auf und trat zur Seite, um sie reinzulassen. Kaum war sie an mir vorbei, schaute ich über den Flur und sah Froggy Bill auf seinem üblichen Posten, von dem aus er alles aufgeregt beobachtete.
    Sie setzte sich auf die Bettkante. Ein einzelnes Hosenbein sah unter ihr hervor, als wäre, wer immer auch darin gesteckt haben mochte, von ihr zerdrückt worden. Ich griff nach einem T-Shirt und zog es mir über, woraufhin sie sich wesentlich wohler zu fühlen schien. Ich hatte vom Schwimmen noch Wasser im Ohr, neigte meinen Kopf zur Seite und schlug mit der flachen Hand dagegen. Sie zuckte zusammen.
    »Entschuldigung«, sagte sie, »das ist sonst nicht meine Art.«
    Ich sammelte eine Hose und ein Hemd auf und stopfte sie in den offenen Wandschrank, dann räumte ich die Socken vom Sessel an der Wand und setzte mich. Die Badehose war feucht und sandig. An der gegenüberliegenden Wand hing ein alter Spiegel mit einem Sprung, von meinem Platz aus konnte ich sie von vorn und hinten zugleich sehen.
    Sie schien nicht zu wissen, wo sie anfangen sollte.
    »Ich weiß einfach nicht, wie ich in solche Geschichten hineingerate«, sagte sie schließlich.
    Ich wartete und dachte an den Mann draußen auf dem Flur und daran, was ich seiner Meinung nach mit dieser dicken Frau auf meinem Zimmer trieb.
    »Es geht um Ihren Bruder«, sagte sie.
    »Was ist mit ihm?«
    »Es geht um Daytona Beach.« Sie blieb reglos sitzen und wartete. Ich wartete ebenfalls. Sie sah unglücklich und resigniert drein. »Jemand, der Bescheid weiß«, sagte sie, »deutete mir gegenüber an, dass er sich die Verletzungen nicht am Strand zugezogen hat.«
    Einen Augenblick herrschte Stille.
    »Was macht das für einen Unterschied?«
    Sie blieb ruhig sitzen. »Irgendwie gerät alles immer mehr durcheinander«, sagte sie.
    »Was denn?«
    »Die ganze Geschichte«, sagte sie. »Man fängt an, weil man etwas wissen will, und als Nächstes ertappt man sich dabei, dass man Dinge tut, die man überhaupt nicht tun will.«
    »Dann tun Sie sie

Weitere Kostenlose Bücher