Paperboy
giftig wurde, nach seinem eigenen Telefon, um einen Anruf zu erledigen und sich von dem abzulenken, was im Zimmer vor sich ging.
Yardley Achemans Liebeswirren waren meinem Bruder peinlich, so wie sie mir peinlich waren, wenn ich kein Bier trank. Doch Yardley Acheman fand nichts dabei, und wenn seine Verlobte aufgehängt hatte, gab er immer irgendeinen Kommentar von sich, der uns aufzufordern schien, sich in den Streit einzumischen.
»Was denkt die Alte sich eigentlich?«
DIE LAGE WÄRE ANGEMESSEN BESCHRIEBEN , würde man sagen, dass zu dieser Zeit vier Leute auf die eine oder andere Art an einer Sache arbeiteten, die nur einer von ihnen erledigen konnte. Mein Bruder musste die Geschichte vollständig in seinem Kopf gespeichert haben, ehe er wusste, wie es weiterging. Der Rest von uns wartete, bis er so weit war.
Meine dringlichste Aufgabe war es keineswegs, den Wagen zu fahren oder Botengänge zu erledigen, sondern Charlotte Bless vom Büro fernzuhalten. Ward und Yardley Acheman wollten sie für die Treffen mit Hillary Van Wetter in erreichbarer Nähe wissen. Hillary hatte unmissverständlich klargemacht, dass er ohne Charlotte für uns keinerlei Verwendung hatte. Doch ihre Besuche im Büro waren ermüdend, stumpfsinnig und auf ihre Art nahezu fanatisch.
Charlotte hatte es sich angewöhnt, nach dem Mittagessen vorbeizuschauen, in einem neuen Kleid und ordentlich parfümiert durch die Tür zu schneien und uns an unsere Aufgabe zu erinnern, die darin bestand, ein unschuldiges Leben zu retten. Seit Hillary Van Wetter bei unserem zweiten Besuch aus dem Zimmer gegangen war, hatte sie keine Jeans mehr getragen, nicht einmal auf ihrem Weg zum Moat-Café.
Jeden Tag begann sie mit derselben atemlosen Frage: »Gibt’s was Neues?«
Es gab nie etwas Neues, jedenfalls nichts Neues von der Art, wie sie es sich erhoffte. Der Gouverneur rief nicht an, um Hillarys Unschuld zu verkünden, und mein Bruder arbeitete sich ein weiteres Mal und noch gründlicher durch die Dokumente, sammelte dieses und jenes und schob dann alles vor sich her zu dem, was als Nächstes kam – was immer das auch sein mochte –, beinahe so, als würde er den Boden fegen.
»Wir müssen die Sache beschleunigen«, sagte sie dann und ging ans Fenster. »Jede Nacht, die Hillary Van Wetter im Gefängnis zubringt, ist eine Nacht weniger in seinem Leben.«
Einmal, nachdem sie das gesagt hatte, fragte Yardley Acheman sie, ob sie schon daran gedacht habe, darüber einen Country-Song zu schreiben. Meistens aber weigerte er sich einfach, ihre Anwesenheit im Zimmer zur Kenntnis zu nehmen, obwohl sie ihn sichtlich öfter ansprach als meinen Bruder oder mich. Sie schien zu glauben, dass er das Sagen habe.
Wenn Charlotte begann, über die Nächte zu reden, die Hillary Van Wetter im Gefängnis verlor, wurde es Zeit für mich, sie fortzuschaffen. Gelang mir dies nicht, wanderte sie im Zimmer umher, schaute in die Kartons mit den Unterlagen auf dem Tisch meines Bruders und nahm jedes Schriftstück, das sie berührte, zum Anlass, den Fall noch einmal aufzurollen.
Es konnte eine halbe Stunde dauern, bis sie ein Ende fand. Von der Störung selbst einmal abgesehen hatte es mein Bruder nicht gern, wenn man die Papiere berührte, die er um sich ausbreitete. In seinem Kopf führte er ständig Listen, und die Dinge mussten unberührt und unverändert liegen bleiben, wenn er je damit fertig werden sollte.
Andererseits gehörten die Papiere, die meisten zumindest, Charlotte, und er wusste nicht, wie er ihr sagen sollte, sie möge sie bitte in Ruhe lassen. Charlotte war in vielerlei Hinsicht ebenso kindisch wie Yardley Acheman, und da sie als Erste Anspruch auf Hillary Van Wetter erhoben hatte, würde sie sich bei dem Versuch, sein Leben zu retten, weder Anwälten noch Journalisten noch sonst jemandem unterordnen. Ich schätze, sie hatte Angst, ihn ganz zu verlieren.
ES WAR MEINE ABSICHT , Charlotte Bless vor dem Ertrinken zu retten.
Es gab keinen Plan, der meine Tat notwendig machte, aber ich träumte davon, sie zu retten, und davon, wie dankbar sie sein würde, wenn sie zu Tode erschrocken aus dem Ozean getragen und am Strand, im warmen sicheren Sand abgesetzt werden würde. Ich malte mir aus, wie sich ihre nasse Haut anfühlte und wie ihre Muskeln zuckten, wenn sie hilflos war und in Panik geriet.
Aber ich konnte sie kaum ins Wasser locken.
Zwei- oder dreimal die Woche fuhr sie nachmittags mit mir an den Strand von St. Augustine. Aber sie kam nur mit, um sich ihre
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