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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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schlug mir auf den Nacken, und der Schmerz drang bis in meinen Kopf. »Ich schlag mich hier noch selbst zu Brei«, sagte ich und gab mir keine Mühe mehr, leise zu reden. Es war ausgeschlossen, dass man uns noch nicht gehört hatte, falls denn jemand auf dieser Insel lebte, der uns hören konnte.
    Ward schnäuzte sich in seinen Ärmel und versuchte, einen klaren Blick zu bekommen, schloss die Augen und rieb sich die Lider mit den Fingern. »Es ist nicht mehr weit«, sagte er, und einen Augenblick später konnte ich das Gackern von Hühnern hören.
    DAS HAUS STAND auf Zementsockeln am anderen Ende der Lichtung. Zahllose Hühner scharrten darunter und suchten den nackten Boden im Hof nach Futterresten ab; ein Hahn hockte auf einem Stapel Dachziegel. Hinter den Ziegeln spannte sich von der Hausecke eine Nylonschnur zum einzigen Baum im Hof. Ein halbes Dutzend Alligatorenhäute hing auf der Leine, jede mindestens vier, fünf Fuß lang, nicht weit davon entfernt stand ein Baumstumpf, auf dem die Häute abgezogen wurden. Eine Axt und ein paar Messer lagen noch dort, zwei davon steckten im Stumpf, die anderen lagen auf dem Boden und auf einem vierbeinigen Stahlrohrstuhl.
    Mein Bruder ging langsam über den Hof. Ein Huhn lief ihm in den Weg und verlor einige Federn, als es vor ihm davonstob. Es war ein Fertighaus. In den Vororten von Jacksonville und Orlando gab es Häuser wie dieses zu Hunderten. Einstöckig, die Wände trugen ein Satteldach, an der Vorderseite, dort, wo das Wohnzimmer sein dürfte, war ein großes Panoramafenster. Farmhausstil, würde ein Makler sagen.
    Ob es schwierig zu stehlen war?
    Die Hälfte der Giebelseite bedeckte Aluminiumblech, den Rest Dachziegel, wie sie sich auch im Hof stapelten. Ein in seine Einzelteile zerlegter Evinrude-Außenbordmotor lag in der Garage auf einer Decke ausgebreitet, verstreut dazwischen die Werkzeuge, mit denen man ihn auseinandergenommen hatte.
    Mein Bruder ging zur Haustür und drückte auf die Klingel. Einen Moment lang sahen wir uns beide an, warteten, dann klopfte er. Nichts rührte sich. Er ging einige Schritte zurück und besah sich das Dach von einem zum anderen Ende. Es war mit Teerpappe bedeckt, die an einigen Stellen eingerissen war und einen Blick auf das darunterliegende Holz freigab. Überall lag Hühnerdreck.
    Er ging wieder zur Tür und klopfte noch einmal, rief Tyree Van Wetters Namen.
    Ich ging um die Vorderseite herum und sah mir die Bucht hinter dem Haus an. Ein kleines Boot lag kieloben auf dem Hinterhof. Der Hof selbst war schlammig, unbewachsen und keine zehn Meter breit, ein Stück Brachland, das vom Haus zum Wasser hin abfiel.
    Die Stimme meines Bruders hallte weit über das Wasser. »Mr. Van Wetter, ich bin gekommen, um Sie etwas über Ihren Neffen Hillary zu fragen.«
    Ich ging zurück zum Vordereingang. »Keiner zu Hause«, sagte ich. Mein Bruder schaute unentschlossen auf das Haus.
    Er klopfte noch einmal, viel lauter diesmal. »Tyree Van Wetter?«
    Auf dem Hof nahmen die Hühner ihre Suche wieder auf, als wären wir für sie bedeutungslos. Mein Bruder setzte sich auf die Stufen vor dem Haus und begann, mit einem Stock den Schlamm zwischen seinen Zehen herauszupulen. Ich setzte mich neben ihn. Die Stufe war warm von der Sonne. Es roch nach Teer, wahrscheinlich wegen der Dachpappe. Ich schaute meinen Bruder an und überlegte, was er als Nächstes tun würde.
    »Lassen wir ihnen ein bisschen Zeit«, sagte er.
    Ich sah ihm zu, wie er seine Füße sauber machte. »Weißt du«, sagte ich, »dies könnte auch irgendeine Anglerhütte sein.«
    Er musterte seine Zehen. »Nein«, sagte er, »ich denke, wir sind hier richtig.« Und dann sagte er: »Es ist jemand im Haus. Ich habe was gehört.«
    Wir setzten uns auf die Veranda und warteten. Die Sonne wanderte weiter, das Haus warf immer längere Schatten. Es wurde kühler.
    »Tut mir leid, was mit Yardley passiert ist«, sagte ich irgendwann.
    Er starrte auf die Füße. Es war lange her, dass einer von uns gesprochen hatte. Ich hatte kein Geräusch im Haus gehört. Er runzelte die Stirn, aber ich wusste nicht, warum. »Es wurde keiner verletzt«, sagte er.
    »Er tat verletzt.«
    »Yardley glaubt, er sei unverwundbar«, sagte er. »›Ihr könnt mir nichts anhaben, ich bin bei der
Miami Times
…‹« Als er seine Worte wiedergab, begann er zu lächeln. Ward wusste, dass solch ein Schutz nicht existierte. Da machte er sich nichts vor.
    DIE SONNE war gerade hinter den Bäumen am westlichen Rand der Lichtung

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