Paperboy
Ward.
Der alte Mann schloss die Augen und versuchte, sich zu erinnern. »Nein, hat er nicht, wenn ich mich nicht irre«, sagte er. »Aber ich habe mir bei der Arbeit im Dunkeln einen halben Zeh abgesäbelt.«
»Hat es geblutet?«
Der alte Mann schaute Ward an, als hätte er die Frage nicht verstanden. »Scheiße ja, natürlich hat es geblutet«, sagte er. »Schließlich sind wir Säugetiere.«
»Waren Sie im Krankenhaus?«
Der alte Mann nickte. »Klar doch, ich geh da mitten in der Nacht rein, dreckverschmiert, und sag denen, ich hätte mich im Schlaf geschnitten!«
WIR BRACHTEN YARDLEY ACHEMAN wieder ins Boot – er setzte sich so hin, dass er den Motor sehen konnte –, schoben es ins Wasser und sprangen dann selbst hinein. Im selben Moment fiel mein Blick auf die Frau, die ein oder zwei Sekunden lang an der Hausecke stand, Fingerspitze im Mund, als könne sie sich nicht vom Geschmack der Eiscreme trennen. Dann hörte ich einen Laut aus dem Haus, ein Greinen, und sie drehte sich um und verschwand. Sie hatte runde Schultern und schöne Haut. Ich stellte mir vor, wie sie sich an einem anderen Ort machen würde. Ich riss an der Startleine, der Motor sprang an, rotzte und beruhigte sich, sobald ich den Choke regulierte.
»Danke«, sagte mein Bruder noch einmal.
Der alte Mann nickte, und sein Sohn kam ans Wasser und blieb neben ihm stehen. Yardley hockte rückwärts im Boot, klammerte sich an die Dollborde und war schon nervös, obwohl wir das offene Wasser noch nicht erreicht hatten.
Der alte Mann grinste und rief: »Halten Sie sich bloß gut an dem Boot fest!«
DIE FAHRT ZURÜCK zum Hafen schien kürzer als die Hinfahrt, zum einen, weil wir nicht nach dem Haus unter den Bäumen am Ufer suchen mussten, zum anderen, weil der Fluss nordwärts fließt, aus der Mitte des Landes nach Jacksonville, wo er ins Meer mündet.
Die Maschine lief bei der höheren Geschwindigkeit nicht ganz so unruhig, und der Bug tanzte über das Wasser. Es gefiel mir, den Gasgriff in der Hand zu halten, die Maschine zu riechen, das Wasser unter den Füßen zu spüren. Ward saß vorn und war irgendwie unzufrieden mit dem, was der alte Mann gesagt hatte. Yardley verhielt sich ruhig, die Augen vor Übelkeit geschlossen.
Im Hafen beugte er sich über Bord und erbrach sich. Mein Bruder schien kaum darauf zu achten. »Der Mann in Ormond Beach«, fragte er Yardley, sobald der sich wieder aufrichtete, »hat der dir seine Unterlagen gezeigt?«
Yardley nickte, als wüsste er, was Ward fragen wollte, als wäre ihm die Frage schon hundert Mal zuvor gestellt worden. »Sie lagen direkt auf seinem Schreibtisch«, sagte er.
»Und bei dem Datum war er sich sicher?«
»Er war sich sicher.«
Wir stiegen aus und gingen zurück zum Wagen. Ich konnte noch immer das Schaukeln der Wellen spüren.
»Er war sich absolut sicher«, sagte Yardley noch einmal, als könne er durch die Wiederholung jeden Zweifel ausräumen.
Sie sprachen kein Wort mehr, bis wir wieder im Wagen saßen und zurück nach Lately fuhren. »Hat er dir das Datum genannt, oder hast du danach gefragt?« wollte Ward wissen.
Yardley beugte sich vor, um meinen Bruder prüfend anzusehen. »Was ist los mit dir?« fragte er.
Ward wiederholte seine Frage langsam und deutlich: »Hast du den Mann gefragt: ›War es am 14. August 1965‹, oder hat er in seinen Büchern nachgesehen und dir das Datum genannt?«
»Was macht das für einen Unterschied?«
»Irgendwas stimmt nicht, das spüre ich«, sagte mein Bruder.
»Hör mal«, sagte Yardley. »Ich bin jetzt lange genug im Geschäft und weiß ebenso wie du, wann sich irgendwas nicht gut anfühlt.«
» WEISST DU , was das Problem mit dir ist?« fragte Yardley Acheman.
Wir waren wieder im Büro, und Ward ging einige Notizen durch, die er sich im Wagen nach einem seiner früheren Besuche in Starke gemacht hatte. Ihm fehlte irgendein Zettel, ein oder zwei Worte, an die er sich nicht erinnern konnte.
Yardley brannte darauf, die Story hinter sich zu bringen und nach Miami zurückzukehren. »Du begreifst einfach nicht, dass man irgendwann loslassen muss, wenn man damit fertig werden will«, sagte er.
Mein Bruder fand den Zettel, legte ihn sorgfältig auf den Tisch und verlor sofort jegliches Interesse daran, weil er nun nicht länger fehlte.
AN DIESEM , vielleicht auch am nächsten Tag rief Yardley Acheman einen Redakteur in Miami an und sagte, dass er jetzt so weit sei und die Story schreiben wolle, dass Ward aber noch nicht seine Recherchearbeit
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