Paperboy
abschließen wolle.
Ich habe keine Ahnung, wie Yardley Acheman die Lage darstellte – er rief nicht vom Büro aus an, jedenfalls nicht, während mein Bruder und ich anwesend waren. Ende der nächsten Woche aber tauchte ein Mann mit einem Bart vor unserer Tür auf, auf der Nase eine Brille mit zentimeterdicken Gläsern, klopfte einmal an und trat ein. Mein Bruder saß am Tisch und ging wieder einmal die ersten Prozessmitschriften durch, und Yardley telefonierte mit seiner Verlobten in Miami. Ward stand auf, als er den Mann mit dem Bart sah, und stieß eine Flasche »Dr. Pepper« um, deren Inhalt sich über die Papiere ergoss. Er zog eine Schublade auf, entdeckte das Hemd, das ich mir von Yardley geliehen hatte und das dieser seitdem nicht hatte wiederhaben wollen, und tupfte damit die Flüssigkeit auf.
Der Redakteur – er war von der Sonntagsausgabe, hieß also nur der »Sonntagsredakteur« – lächelte, schaute sich um und sog die Atmosphäre auf. Er trat ans Fenster und ließ seinen Blick lange über Lately schweifen, während Yardley Acheman am anderen Ende des Zimmers das Gespräch mit seiner Zukünftigen zu Ende brachte.
»Okay«, sagte er. »Ich muss jetzt los. Ja. Jetzt nicht ... heute Abend. Ich rufe dich heute Abend an. Klar, ich dich auch, okay ...«
»Wonach riecht es hier? Nach Zwiebeln?« fragte der Mann aus Miami. Er war älter als Yardley Acheman, vierzig oder fünfzig, und sah aus, als wäre er das erste Mal seit Langem aus seinem Büro herausgekommen.
»Unten ist eine Autowerkstatt«, sagte Yardley. »Die ganze Straße riecht nach Zwiebeln.« Er roch an seinem Arm. »Der Gestank dringt in die Haut ein«, sagte er.
Der Mann aus Miami riss angesichts dieser Neuigkeit die Augen auf, als hätte er dergleichen noch nie gehört, dann sah er zu meinem Bruder hinüber. »Wie kommen Sie voran?« fragte er.
»Wir schaffen es«, sagte Ward. Er hatte die Papiere abgewischt, setzte sich wieder und versuchte, nicht zu arbeiten.
Der Mann aus Miami setzte sich auf den Stuhl an der Wand. Er sah mich einen Moment an, da er nicht wusste, was ich hier zu suchen hatte.
»Was glauben Sie, wie lange Sie noch brauchen?«
»Nicht mehr lange«, sagte Ward. »Es gibt da ein paar Dinge, mit denen ich noch nicht zufrieden bin ...«
»Ein paar Tage, eine Woche?«
»Bis was?« fragte Ward.
»Bis Yardley anfangen kann zu schreiben.« Der Mann lächelte, wirkte aber ein wenig gereizt.
Mein Bruder schaute Yardley Acheman an, doch Yardley wagte es nicht, seinen Blick zu erwidern. »Das kann ich nicht genau sagen«, erwiderte Ward.
»Was müssen Sie denn noch tun?«
Mein Bruder schüttelte den Kopf.
»Mir scheint, Sie sind bereits fertig und wissen es bloß noch nicht.« Der Mann aus Miami schwieg, fuhr dann aber fort: »Ich war genauso. Ich wollte eine Story nie loslassen, wahrscheinlich habe ich deshalb heute diesen Schreibtischjob.« Er lächelte bei diesen Worten, als würden ihn seine eigenen Schwächen amüsieren.
»Ich bin noch nicht zufrieden«, sagte Ward.
»Das gefällt mir«, sagte der Mann aus Miami. »Das verrät mir, dass Sie ein guter Reporter sind, dass Sie vorsichtig sind. Aber nach all dem, was Yardley mir erzählt hat, liegen die Dinge so klar und eindeutig, wie man es sich nur wünschen kann.«
»Ich weiß nicht«, sagte Ward.
»Ich weiß, dass Sie das nicht wissen«, sagte der Mann aus Miami. »Aber Tatsache ist, dass Sie den Rest Ihres Lebens hier verbringen könnten und Sie wüssten immer noch nicht über jedes Detail genau Bescheid. Das ist auch nicht unsere Aufgabe. Unsere Aufgabe lautet, so viel wie möglich so genau wie möglich herauszufinden und zu veröffentlichen.«
Ward sagte nichts.
»Ihre Zeit ist zu kostbar, um hier am Arsch der Welt herumzuhocken«, sagte er. »Es gibt noch andere Storys, die geschrieben werden müssen.«
»Ich glaube nicht, dass diese Story schon fertig ist«, sagte Ward.
»Yardley ist zufrieden«, sagte er, und Yardley Acheman nickte hinter seinem Schreibtisch. »Und er ist derjenige, der die Story schreiben muss.«
Der Geruch nach Zwiebeln wurde stärker. Außerhalb dieses Zimmers waren ohne Zutun meines Bruders Entscheidungen gefallen, und es gab nichts, was er dagegen unternehmen konnte. Er rieb sich die Augen, als hätte er lange nicht geschlafen, und dann sah er zu mir herüber. Er schien mich um Hilfe bitten zu wollen. Aber ich wusste nicht, wie ich ihm helfen sollte, ich wusste nicht einmal, wo ich hätte anfangen können.
»Es ist noch nicht so
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