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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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mochte. »Da ist jemand umgefallen.«
    »Wir müssen los«, sagte der Sanitäter, wollte aber nicht unaufgefordert gehen. Er wartete darauf, dass ihm jemand die Erlaubnis gab.
    »Haben Sie das gesehen?« fragte der Matrose, aber irgendetwas in seiner Stimme hatte sich verändert. Er klang jetzt, als würde er uns anflehen.
    Der Sanitäter schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts gesehen und nichts gehört.« Dann wandte er sich an den Polizisten. »Brauchen Sie uns noch?« fragte er.
    Der Polizist schaute mich an.
    »Er ist verletzt«, sagte ich.
    Der Matrose schien Schmerzen zu haben, er stöhnte. Der erste Polizist packte ihn am Hemdkragen, stellte ihn an die Wand und ließ ihn da warten.
    »Keine Bewegung«, sagte er.
    »Ich hab nichts getan«, sagte der Matrose, hatte jetzt aber Angst und blieb, wo er war. Er wollte noch etwas sagen, aber der Polizist neben ihm schlug ihm so hart ins Gesicht, dass die Nase zu bluten anfing.
    Der andere Polizist winkte mich in eine Ecke des Zimmers.
    »Wissen Sie, Sie haben da ein Problem«, sagte er so leise, dass die anderen ihn nicht verstehen konnten. »Meiner Meinung nach würde es die Sache für uns alle vereinfachen, wenn Ihr Bruder gestern Abend ein paar Drinks genommen hat und am Strand spazieren gegangen ist. So was passiert öfter da unten am Strand, selbst wenn nichts davon in der Zeitung steht.«
    Ich schaute Ward an und versuchte irgendwie, aus alldem schlau zu werden.
    »Es hätte am Strand passieren können«, sagte der Cop noch einmal. »Der Unterschied ist nur, dass wir in dem Fall die Übeltäter nicht erwischen konnten.«
    Der Matrose beobachtete uns aufmerksam, als wüsste er, worum es ging. Er blutete, und unter dem Ohr war der Kiefer angeschwollen. Der Matrose weinte fast.
    Charlotte lehnte an der Wand, die Arme vor der Brust verschränkt.
    »Sie wollten ihn umbringen«, sagte sie schließlich.
    Der erste Polizist holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. »So was passiert«, sagte er. »Ich sage Ihnen ja nicht, was Sie machen sollen, aber so was passiert.«
    Der Matrose stöhnte und ließ sich gegen die Wand fallen. Der Polizist an seiner Seite hieb ihm mit dem Schlagstock auf die Beine, und der Matrose brach wieder zusammen.
    »Oje«, sagte der Polizist, »schon wieder ist jemand umgefallen.«
    »Was passiert mit ihm?« wollte ich wissen.
    »Was soll Ihrer Meinung nach denn mit ihm passieren?« fragte der Polizist. »Am Strand könnte ihm allerhand zustoßen.«
    Der Matrose begann laut zu jammern. »Wir wollten ihn doch gar nicht so zurichten«, sagte er.
    Der Polizist, der mit mir geredet hatte, sah die Sanitäter plötzlich wütend an. »Worauf zum Teufel wartet ihr noch?« fragte er. »Der Mann ist verletzt.«
    ICH WEISS NICHT , was sie mit dem Matrosen gemacht haben, nachdem ich das Hotelzimmer verlassen hatte. Ich weiß nur, dass er immer noch in der Tür lag und sich Mühe gab, verletzter auszusehen, als er war. Vielleicht ahnte er aber auch, was ihm bevorstand, wenn er mit dem Polizisten allein sein würde, sodass ihn der bloße Gedanke daran schon krank machte.
    Ich ging auf den Flur, hörte die Räder der Krankentrage über den Teppich rollen, sah die Konturen meines Bruders unter dem Laken, die Zehen, die herauslugten und sanft auf und ab wippten. Der erste Polizist begleitete uns bis zum Fahrstuhl und starrte von Zeit zu Zeit Charlotte an.
    »Wir bringen ihn ins Krankenhaus«, sagte er und lächelte ihr zu, als sich die Tür schloss und der Fahrstuhl ins Parterre fuhr. Der Personaleingang führte auf den Parkplatz hinaus. Dem Hotel war es lieber, wenn die Sanitäter in Notfällen diesen Ausgang benutzten.
    ICH SASS IM WARTEZIMMER , während sich die Ärzte am Gesicht meines Bruders zu schaffen machten. Sie verlangten nach einem plastischen Chirurgen, konnten aber keinen auftreiben, der zu dieser späten Stunde noch ins Krankenhaus kommen wollte.
    Charlotte saß neben mir, hellwach, während ich immer wieder einnickte. Einmal weckte sie mich, weil sie die Schwellung auf meiner Stirn berührte, und dann wieder, als sie einen Arzt, der über den Zustand meines Bruders berichtete, fragte, ob ich nicht auch aufgenommen werden sollte.
    Er musterte mich von der Tür aus. »Müssen Sie aufgenommen werden?« fragte er. »Uns fehlen schon elf Betten.«
    »Nein«, sagte ich, »ich glaube nicht.«
    Er nickte und verschwand wieder dahin, wo sie an Ward herumflickten. »Er braucht einen Chirurgen«, sagte sie. Ich schaute sie an und wunderte mich, wie

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