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Paperboy

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Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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wurde der Bezirk zu einem Hort der Ignoranz und Engstirnigkeit in einem Staat, der sich eigentlich in die entgegengesetzte Richtung entwickelte, und Hillary Van Wetter und seine naive Verteidigerin Charlotte Bless waren Opfer dieses unvermeidlichen Kulturkampfes.
    MEIN VATER , der jeden Abend nach dem Essen angerufen hatte, ließ am Sonntag und auch an den drei folgenden Tagen nichts von sich hören. Dafür rief Yardley Acheman aus Miami an. Zuerst am Montag, um zu sagen, dass die Zeitung mit Anrufen von ihren Lesern bombardiert wurde, dann am Mittwoch, weil der Gouverneur eine Untersuchung der Gerichtsverfahren in Moat County angeordnet hatte.
    Ward nahm keinen der Anrufe entgegen. Ich hob jedes Mal den Hörer ab, wiederholte, was Yardley Acheman meinem Bruder mitteilen wollte, und legte auf.
    »Gib ihn mir«, sagte er beim zweiten Mal. »Wir werden diesen Van Wetter zurück in seine Sümpfe bringen.«
    Doch als ich Ward den Hörer hinhielt, schaute er erst ihn und dann mich an, und ich sagte Yardley Acheman, dass Ward nicht mit ihm reden wollte.
    »Wie geht’s ihm übrigens?« fragte er.
    »Es geht«, sagte ich.
    »Haben sie die Typen geschnappt?«
    Ich gab keine Antwort.
    »Die Typen, die ihn zusammengeschlagen haben, hat die Polizei sie geschnappt?«
    »Nein«, sagte ich, »die Polizei hat niemanden geschnappt.«
    Einen Moment blieb er stumm, und dann fragte sich Yardley Acheman, der es offenbar immer noch nicht ganz fassen konnte, dass sie den Gouverneur dazu gebracht hatten, eine Untersuchung zu veranlassen, ob er nicht nach Daytona Beach kommen und die Polizei fragen sollte, warum sie die Kerle immer noch nicht gefasst hatten.
    »Ich halte das für keine gute Idee«, sagte ich. »Ich glaube, die tun hier, was in ihrer Macht steht.«
    Wieder schwieg er, fuhr dann aber fort: »Und? Hat Ward die Story gelesen?«
    Ich gab keine Antwort.
    »Wie hat sie ihm gefallen?«
    »Er wollte sie lesen, bevor sie in Druck geht«, sagte ich und warf rasch einen Blick hinüber zu Ward. Er starrte aus dem Fenster.
    »So läuft das nun mal«, sagte Yardley Acheman. »Abgabetermine, er kennt das doch …«
    Die Leitung schien tot.
    »Jetzt ist es nun mal passiert«, sagte er schließlich. »Er wird drüber wegkommen.«
    Ich legte auf, und er rief erneut an.
    »Gib ihn mir«, sagte er. »Er ist bei dir im Zimmer, stimmt’s? Sag ihm, ich hätte gute Neuigkeiten.«
    »Yardley Acheman ist dran«, sagte ich zu Ward. »Er sagt, er hätte gute Neuigkeiten.« Mein Bruder schloss sein Auge.
    Ich legte wieder auf.
    Ward starrte aus dem Fenster und weigerte sich fünf Tage lang, Anrufe von der
Times
entgegenzunehmen. Dann ging die Entzündung zurück, und er wurde entlassen. Er fuhr in sein Apartment nach Miami, um sich dort zu erholen. Er hätte auch ins Haus meines Vaters fahren können, wo Anita Chester für ihn gekocht und seine Wäsche für ihn gewaschen hätte, aber er wollte nicht nach Hause.
    ICH JEDOCH FUHR nach Thorn zurück und nahm meine Karriere als Zeitungslieferant wieder auf. Es zeigte sich sofort, dass der
Miami-Times
-Artikel über Hillary Van Wetter und Moat County, der unter Ward James’ Namen veröffentlicht wurde, dem Ruf meines Vaters geschadet hatte.
    Es machte ihm zu schaffen, dass er nicht mehr weithin geachtet wurde.
    Für die Bewohner von Moat County war sein Sohn nur einer von vielen Söhnen, die die Gegend verlassen hatten und in dem Glauben zurückgekehrt waren, etwas Besseres zu sein. Nur hatte Ward dieses Gefühl auf der Titelseite der größten Zeitung Floridas zum Ausdruck gebracht. Er hatte dafür gesorgt, dass der renommierteste Anwalt des Countys in den Ruhestand ging, er hatte eine staatliche Untersuchung der Bezirksverwaltung veranlasst – man prüfte zur Zeit den Etat des Sheriffs, manch einer würde seinen Job verlieren –, und er hatte sich für ein ruchloses und gewalttätiges Mitglied der Familie Van Wetter eingesetzt auf Kosten des untadeligen Rufes von Thurmond Call.
    Meinen Vater machte man für diese Dinge mitverantwortlich – nicht für den Artikel selbst, aber dafür, seinem ältesten Sohn einen Hang zu liberalen Ansichten vererbt und so den Ort verunglimpft zu haben, an dem er lebte.
    Als er das Ausmaß des Misstrauens begriff, zog er sich zurück, verbarg sich im Reich seiner Erinnerungen, wo er sich sicher und unerschütterlich fühlte. Selbst in seiner eigenen Küche wirkte er unnahbar.
    Der Dodge-Händler, bei dem Jerome Van Wetter gearbeitet hatte, schaltete keine Anzeigen mehr in

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