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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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meiner revolutionären Zurückweisung all dessen, wofür meine Familie stand, kam nicht umhin, der Schönheit, dem Charme und Glanz, diesen Überbleibseln jenes goldenen Sommers des noch jungen Jahrhunderts unter King Edward zu erliegen, dessen Leuchtkraft und Wärme nur um so stärker durch die trübe Düsternis eines niedergedrückten Jahrzehnts schienen.
    Meine Lieblingspartys waren selbstverständlich die, welche Jaquinda Marriott in ihrem Londoner Domizil veranstaltete, ich glaube, am Kerdiston Square. Sie nannte sie Salons, aber das waren sie gar nicht. Die Haartrockner fehlten.
    Ich erinnere mich an einen solchen Abend im Mai oder Juni 1932. Alle hatten als Paradox verkleidet zu erscheinen. Bertie Russell kam als jener Satz eines Systems, der innerhalb dieses Systems nicht verifiziert werden kann; ich kam als Achill, mit meiner Schwester Castella als Schildkröte. G. K. Chesterton tat mir leid, der als Antwort auf die Frage »Ist dies eine Frage?« gekommen war und dafür den ganzen Abend ignoriert wurde. Es war eine herrliche Sommernacht, ich war neunzehn, und die Welt lag mir zu Füßen.
    Aber in jedem Paradies lauert eine Schlange, und der Wurm im Apfel dieses Festes nahm die Gestalt der widerlichenBrandelia Cawston an, die es sich in den Kopf gesetzt hatte, mir den Abend zu verderben. Sie zog mich auf, stellte absichtlich meinen Gedankengängen ein Bein, aschte mir ins Glas und gähnte, wann immer ich etwas sagte. Sie hatte mich noch nie leiden können und tat ihr Bestes, um mich zur Vulgarität zu verleiten. Und dann, als ich gerade Osbert Sitwell zuhörte, der Laurence Olivier beibrachte, wie man einen deutschen Akzent nachmacht, entdeckte ich plötzlich den jungen Donald Trefusis auf der anderen Seite des Saals. Mein Herz machte einen Sprung; hier stand der inzwischen hoch aufgeschossene, wohlgestalte junge Mann, den ich bis zur Entrückung verehrt hatte, als ich noch Zöpfe getragen und ihm schöne Ohren gemacht hatte. Brandelia Cawston kniff mich gehässig in den Arm. Ein Blick auf Donald verriet mir, daß er es gesehen und die gesamte Situation sofort erfaßt hatte. Ich entschuldigte mich bei Olivier und Sitwell und ging, gefolgt von diesem abstoßenden Cawstongör, auf Donald zu. Er warf den Kopf zurück, und ich, die ich genau sah, was er im Schilde führte, trat rasch einen Schritt beiseite, so daß er die elende Brandelia von oben bis unten vollkotzen konnte. Nie hab’ ich mich besser amüsiert. Ich konnte mich nicht erinnern, daß jemand in Gesellschaft so unvorteilhaft ausgesehen hatte, seit Edgar Wallaces Toupet 1924 in Cap Ferrat Feuer gefangen hatte. Ich wollte mich bei meinem kühnen Retter bedanken, aber der war verschwunden und hatte kein Fitzelchen zurückgelassen. Ich habe ihn nie wiedergesehen. Ich denke unaufhörlich an den lieben Mann und frage mich, was wohl aus ihm geworden ist. Das Leben ist manchmal so grausam. Jetzt brauch’ ich eine Sause.

Trefusis nimmt einen Preis entgegen
     
    Das Folgende ist eine Aufzeichnung von Trefusis’ einzigem Fernsehauftritt. Hier nimmt er den Preis der British Press Guild für die beste Radiosendung oder irgend so was entgegen.
     
    Gott segne Sie, ich muß gestehen, ich finde all dieses Licht eine Spur erschreckend, aber ich möchte schwören, daß meine Augen sich mit der Zeit an Grelligkeit gewöhnen werden. Es ist wirklich kein Wunder, daß Leute im Fernsehen immer so ungeheuer töricht wirken. Jetzt weiß ich, daß es die Glut der elektrischen Scheinwerfer ist, die den Augen diesen toten, hoffnungslosen Blick verleiht. Aber ich komme vom Thema ab. Wo war ich? Auszeichnungen. Preise.
    Also ich bin sicher, daß die British Press Guild, oder welche Einrichtung uns diese Hörfunktrophäe nun gerade verliehen haben mag, dies in der allerbesten Absicht getan hat; trotzdem muß ich mir die Bemerkung erlauben, daß ich es für einen großen Irrtum halte. Ich möchte ganz bestimmt keinen der Verantwortlichen vor den Kopf stoßen, und ich habe keine Zweifel, daß wir alle von dem uns abgestatteten eindrucksvollen Kompliment sehr gerührt sind, aber dennoch muß ich noch einmal unterstreichen: Sie haben einen fürchterlichen Bock geschossen. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich will mitnichten sagen, daß wir diese Auszeichnung nicht
verdient
hätten. Ganz gewiß ist unsere kleine Sendereihe auch nicht schlimmer als irgendeine andere, die den Äther vollschmaddert. Manchmal gelingen uns wahrhaftig Momente, die in der Intensität ihrer Erregung,

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