Papierkrieg
Minuten. Wollen Sie einen Kaffe?«
»Gerne.« Der Ägypter war inzwischen durch eine Tür nach hinten
verschwunden. Ich setzte mich hin und lauschte der Unterhaltung der Frau mit
dem Ünsal. Ünsals Frau war zurück in die Türkei, in Österreich war es ihr »zu
Oasch« gewesen. Da stimmte die Ägypterin zu, auch ihr sei hier fad, zum
Geldverdienen großartig, aber sonst nix los. Beide hatten Kinder und so
debattierten sie eifrig über die verschiedenen Wege, sich Sozialleistungen zu
erschwindeln. Schließlich schauten mich beide an und fragten, ob mich das nicht
aufregen würde, wenn sie das Sozialamt bescheißen würden. Ich meinte sinngemäß,
dass mir das so was von wurscht wäre, wie wenn in China ein Fahrrad umfällt.
Daraufhin meinte Ünsal: »War eh nur Schmäh, alle Kinder da, Frau auch. Bist
schon ok.« Beide lachten. Ich bekam Kaffee nachgeschenkt, da kam der
Shopbesitzer aus seinem Hinterzimmer zurück.
»Code is geknackt.« Er legte das iPhone vor mich hin. »Aber
telefonieren besser nicht, kann man orten.« Er nahm einen Schluck aus seiner
Tasse. »Immer vorher Chip rausnehmen.« Ein zweiter Schluck Kaffee folgte dem
ersten, unbeteiligt sprach er weiter. »Wenn Sie verkaufen wollen, ich nehme
schon …«
»Was krieg ich dafür?«
»Ohne Kabel, ohne Packung, ohne Kaufvertrag«, er kratzte sich am
Kopf, schaute seine Frau an, die den Kopf schüttelte, »50 Euro?«
»Ah so, ist’s ein Fake?«
»Nein, nein, ist echt, hat Original drinnen, 60 Euro?«
Ich schüttelte den Kopf und steckte das iPhone in meine
Innentasche. Dann bedankte ich mich, zahlte und wollte gerade gehen, als ich in
der Tür mit einem Mann zusammenstieß. Er war untersetzt und stank nach kaltem
Rauch. Er schaute einfältig und hielt einen Palmtop in der Hand.
»Was gibt’s mir für den? Ohne Kabel und Code, aber ganz neu.« Er
hatte es furchtbar eilig und war außer Atem.
Der Ägypter meinte frostig, mehr als 20 Euro könne er nicht geben,
der Mann brüllte, dass das Gerät neu mindestens 250 Euro kosten würde, worauf
der Ägypter eiskalt erwiderte: »Aber du hast’s geklaut. 20 oder nix.« Der Idiot
stimmte zerknirscht zu, aber da war ich schon bei der Tür draußen und auf dem
Weg zur U-Bahnstation.
II
Eigentlich
musste ich auf die Uni, eine Sprechstunde und eine Lehrveranstaltung warteten
auf mich. Aber inzwischen hatten meine kleinen Rädchen begonnen, unerbittlich
ineinanderzugreifen und ich machte noch schnell einen Abstecher nach Favoriten.
Wieder stand ich vor dem Gemeindebau in der Leibnizgasse und
klingelte. Es dauerte ein bisschen, dann spielte sich alles so ab wie beim
letzten Mal und ich stand vor der Tür, auf der in schlechter Handschrift
ComServe2000 geschrieben war. Ich klopfte, wieder schaute jemand vorsichtig
durch den Spion und schob die Tür einen Spalt weit auf.
Die Blondine blickte durch den Spalt.
»Ah, du bist, von …« Sie musste nachdenken.
»Vorgestern.«
»Jaah«, sagte sie gedehnt. »Willst du wieder eine DVD-Spindel,
oder doch lieber was Ordentliches?«
»Was Ordentliches.«
Sie öffnete die Tür und ich trat ein.
»Setz dich.« Sie wies ins Wohnzimmer. »Ich hol mir schnell ein
Bier, willst auch eins?«
»Danke nein.«
Sie verschwand in der kleinen Küche und ich setzte mich aufs
Wohnzimmersofa. Die Einrichtung war bieder. Holzschränke mit Glastüren, simple
Bilder, langweilige Tapete und ein uralter fleckiger Teppichfußboden, dessen
ursprüngliche Farbe nicht mehr herauszubringen war. Auf dem Couchtisch waren
ein paar leere Bierdosen und Flaschen, vollgerauchte Aschenbecher und einige
Alufolien mit weißen Pulverrückständen drauf. Ansonsten war alles bis auf den
letzten Zentimeter vollgeräumt mit weißen Schachteln, in denen sich
offensichtlich Elektronik befand. Das Zeichen der Flughafengesellschaft war auf
vielen gut zu sehen.
Die Blondine kam zurück, in der rechten Hand
hielt sie eine geöffnete Dose Ottakringer. Sie bewegte sich träge, wobei ihre
Kurven federnd mitschwangen. Ihre Füße steckten in hochhackigen Pantoffeln, die
Nägel ihrer Zehen waren im selben dunklen Rot bemalt wie die ihrer Finger. Sie
trug schwarze, halbdurchsichtige Leggins, darüber einen Jeansmini mit breitem
Gürtel, wie ihn Jim Morrison einst bevorzugt hatte. Ein hautenges, neongelbes,
ärmelloses Top bildete den Abschluss. Ihre blonden Haare waren aufgesteckt, das
Gesicht geschminkt. Ihr eines Auge war nun nicht mehr blau, sondern begann sich
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