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Papilio Mariposa

Papilio Mariposa

Titel: Papilio Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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Wänden einige
erlesene Gemälde in leuchtenden Farben.
    Durch das eine Fensterpaar — es war ein Eckzimmer
— hatte man einen berückend schönen Ausblick auf
eine Waldlichtung, und durch die beiden anderen Fenster
sah man auf die Wälder und die nahen Berge.
    Ein prächtigeres Arbeitszimmer konnte ich mir wirklich
nicht denken. Die Wahl mochte einem schwerfallen,
wann es hier schöner war: im Sommer, mitten in
der prangend blühenden Natur, wenn Vogelsang und
Waldesduft durchs offene Fenster dringt, oder im Winter,
am behaglichen Kamin, wenn draußen der Tannenwald
im Rauhreif starrt und die Landschaft unter
dichtem Schnee verschwiegen träumt.
    Aber Mariposa selbst fand ich ganz anders, als ich
erwartet hatte. Wenn sich jemand in selbstgewählter
Einsamkeit mitten in der schönsten Landschaft, frei
von allen Berufssorgen, nur mit seinen Lieblingsstudien
befaßt, dann erwartet man, einen sonnengebräunten,
ruhig-zufriedenen Menschen vor sich zu sehen.
Das war er aber keineswegs. Er war bleich, übernächtigt,
sichtlich überarbeitet. Seiner prächtigen Umgebung
schien er gar nicht zu achten, und man merkte esihm an, daß er dem Gespräche nur mit Mühe folgte,
mit seinen Gedanken aber ganz woanders war.
    »Ja, was ist denn mit Ihnen?« polterte ich los. »Mit
Ihnen bin ich aber gar nicht zufrieden. Da habe ich
Ihnen einen so prachtvollen Besitz gekauft, und Sie
könnten hier leben wie Gott in Frankreich, haben
keine Sorgen, haben Geld wie Heu. Und Sie schauen
aus wie die sieben teuern Zeiten, wie wenn die schwersten
Sorgen Sie bedrückten. Die herrlichsten Spaziergänge
haben Sie vor der Nase und sind sicherlich noch
keine halbe Stunde ausgewesen, Sie Stubenhocker, Sie
unverbesserlicher.«
    »Ja, ja, Sie haben sicher recht. Aber es läßt einen
nicht los, wenn man einmal damit begonnen hat. Es
treibt einen immer vorwärts, wie mit der Peitsche.«
    »Was denn ›es‹? Ihre Forschungen? Ja, brennt denn
das? Was sind das überhaupt für Forschungen? Wollen
Sie mir das Geheimnis nicht endlich verraten?«
    »Nach Tisch werde ich es Ihnen zeigen. Zumindest
das, was sich zeigen läßt.«

    N ach der Mahlzeit führte
er mich ins andere Stockwerk. Zunächst in einen halbdunklen
Korridor. An der Wand war ein Schiebefenster.
Er öffnete es, drehte ein Licht auf, so daß die
Scheibe voll beleuchtet war, und forderte mich auf
durchzuschauen. Es dauerte geraume Zeit, ehe ich
mich an die eigentümliche Beleuchtung gewöhnte.
    Und nun sah ich hinein — oder muß ich nicht eher
sagen: sah ich hinaus? — in eine absonderliche Urwaldlandschaft.Mächtige Bäume, wie ich sie in dieser Form
und Farbe noch nie gesehen hatte, und undurchdringliches
Gestrüpp. Das Ganze lag überdeutlich und doch
seltsam unwirklich vor mir. Ich konnte mich zu den
Dimensionen nicht recht einstellen. War das in weiter
Ferne, oder lag es dicht vor meinen Augen? Auch die
Beleuchtung vermochte ich nicht zu deuten. War’s
Sonnenschein, oder war es das Licht des Vollmonds,
das die geheimnisvolle Landschaft in einen ungewissen
Schimmer tauchte?
    Doch blieb mir nicht viel Zeit zu diesen Betrachtungen.
Denn nun prallte ich zurück vor Entsetzen.
    Aus dem Dickicht brach ein Ungetüm hervor,
schleppte, wälzte, stemmte in riesenhaften Windungen
den horngepanzerten, grell gezeichneten Leib vorwärts,
aus den unförmigen, blicklosen Augen vor sich hin
starrend, umwitterte einen der Stämme, bäumte sich
an ihm empor und begann ihn mit den absonderlichen
Kiefern zu benagen, so daß der Saft in Strömen
aus dem Marke quoll und der mächtige Stamm sich
neigte.
    Durch einen Handgriff Mariposas erweiterte sich
das Gesichtsfeld. Andere Ungetüme wurden sichtbar,
bald in buntbemalten Schuppenpanzern starrend, bald
in zottige Pelze gehüllt. Überall wurde es lebendig in
der Wildnis. Die einen lagerten in träger Ruhe, andere
schlichen sich an die Weidenden heran und überfielen,
umklammerten, zerfleischten und verschlangen
sie. Ja, manche gab es, die ihre unersättliche Gier gegen
den eigenen Leib kehrten, die sich in selbstmörderischer
Wut verwundeten und das eigene Blut, das
grünquellend aus den Wunden troff, aufschlürften.
    Bleich und beklommen trat ich zurück und fuhr mirmit der Hand über die Augen, als wollte ich einen bösen
Traum verscheuchen.
    Mariposa schien über mein Entsetzen halb befriedigt,
halb überrascht.
    »Aber, aber, wie kann man sich über diese Spielerei
nur so aufregen! Nein, ich habe Sie nicht behext. Sie
sind nicht mitten im Urwald, Sie sind

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