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Papilio Mariposa

Papilio Mariposa

Titel: Papilio Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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Gemütsbewegung.
Es gibt mit ihnen sozusagen eine Verständigungsmöglichkeit.
Aber zur Welt der Insekten
führt für den Menschen keine Brücke.«
    Eine große grüne Heuschrecke war aus dem Schilf
ins Boot gesprungen. Désirée fing das Tier, das sich
mit den Beinen strampelnd wehrte und mit den mächtigen
Kiefern malmte.
    »Das muß man doch schon beim bloßen Anblick
eines solchen Insektenkopfes erkennen«, setzte ich fort,
die gefangene Heuschrecke betrachtend. »Keine Stirn,aber dafür riesige Freßwerkzeuge. Blicklose Facettenaugen.
Es ist ein starres, unbewegliches Gerüst aus
Horn. Was hat diese Larve mit einem Menschenantlitz
gemein? Welches Gefühl könnte diesen unerbittlichen
Chitinpanzer durchdringen und verschönen?
    Nein, das ist eine urfremde, feindliche Welt, die nur
nach, aber nicht neben der Welt des Menschen bestehen
kann. Darum, wehe dem Menschengeschlechte, sollte
es einmal Libellen geben so groß wie Reiher.
    Nicht ohne tieferen Sinn haben die alten Mexikaner
einen der bösesten Geister, Itzpapalotl, in Gestalt eines
menschengroßen Schmetterlings dargestellt, mit scharfen
Obsidian-Messern an den Flügelrändern.«
    Mariposa horchte betroffen auf bei diesen Worten
und erwiderte. »Viel Menschenhochmut spricht aus
diesen Worten. Sie denken allzu anthropozentrisch.
    Etwas wie Parvenustolz — Sie verzeihen diese rein
wissenschaftliche Polemik — liegt in dieser Denkungsart:
Wie herrlich weit haben wir Menschen es doch gebracht
im Vergleich zu den anderen armseligen Lebewesen
dieser Erde!
    Wer so denkt, vergißt — wie eben ein Parvenu —, daß
ihm nur Zufall oder unverdientes Glück zu seinem
Vorrange verhalf.
    Jahrhunderttausende haben die Saurier, Echsen, die
Erde beherrscht. Das ist außer Zweifel. Nach ihnen
kam der Mensch, ein Säugetier.
    Warum gerade ein Säugetier, warum nicht ein Insekt?
Die Wissenschaft kann uns heute diese Frage
noch nicht beantworten: nur der Schöpfungsmythus
der Bibel gibt uns darauf Antwort. Aber in ein paar
Jahrzehnten wird die Paläontologie vielleicht so weit
sein, daß sie uns klare Antwort gibt.
    Denn irgendeinmal, vor Jahrhunderttausenden, waren
die Chancen der Weltbeherrschung mutmaßlich
wohl für beide gleich, für die Insekten und für die Vorfahren
des Menschen. Irgendein Zufall, durch die
Jahrhunderttausende fortwirkend und sich verstärkend,
eine Förderung da und eine Hemmung dort, hat
den Menschen emporgehoben und das Insekt zurückgedrängt.
    Es ist bezeichnend, daß ein so genialer Schriftsteller
wie Wells sich den Mond nicht von menschenähnlichen
Geschöpfen beherrscht denkt, sondern von ungeheuer
entwickelten Insekten.
    Wenn wir die Staaten der Bienen, Ameisen und Termiten
betrachten, müßten wir in fassungsloser Bewunderung
vergehen vor ihrem Gemeinsinn und Opfermut,
vor ihrer durch eine hunderttausendjährige Erfahrung
geschulte Disziplin. ›Gehe hin zur Ameise und
lerne‹, heißt es schon in der Bibel.
    Kennen Sie die ständische Gliederung der Ameisen
in Ackerbauern, Hirten, Pilzzüchtern, das verwirrende
Gefüge ihrer Gemeinwirtschaft, wo jedem seine Rolle
zugeteilt ist als Krieger, Kundschafter, Gärtner, Erdarbeiter,
Wirtschafter? Kennen Sie die Feenlandschaften
ihrer unterirdischen Pilzgärten; die Tragödien, die sich
alljährlich in ihren Städten abspielen, wenn die arbeitslos
gewordenen Müller- und Bäckerknechte auf Geheiß
des geheimen Rates enthauptet und über die
Stadtmauer gestürzt werden; die blutige Eroberungsgier
der Bothriomyrmex decapitans, welche sich unter
dem Schutze einer täuschenden Geruchswirkung in die
Nester einer anderen Art einschleicht, der Tapinoma
erraticum, guter, fleißiger und vertrauensseliger Tierchen,
dort in die Säle dringt, wo Eier und Larven aufbewahrtwerden, sich rittlings auf eine der friedfertigen
Königinnen stürzt, ihren Hals durchschneidet und
fortab im Reiche der Tapinomen eine Schreckensherrschaft
führt? Kennen wir die mannigfaltigen Schrecknisse,
Geheimnisse und Verführungen, von denen das
unterirdische Leben der Ameisen umwittert ist? An allen
Ecken, auf allen Gängen ihrer subterranen Städte
lauern die Parasiten — Schmeichler und Nichtsnutze,
die ihnen zweideutige Wollust, Düfte und schädliche
Gifte bieten. Und die kluge Ameise, die diesen verderbenbringenden
Mummenschanz mit leichter Mühe
wegfegen könnte, sie duldet, ja begünstigt ihn, hegt ihn
als Zierde und Freude.
    Lesen Sie doch, was Maeterlinck darüber sagt: ›Wir
Menschen sträuben uns dagegen, daß es auf

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