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Papilio Mariposa

Papilio Mariposa

Titel: Papilio Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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Muße betrachten.
    Es war sehr schön, tiefschwarz mit rötlichgelben
Flecken. Die Vorderbeine liefen in Flügel aus, die
gleichfalls schwarz und rötlichgelb gezeichnet waren.
Sie erinnerten an Schmetterlingsflügel, etwa an die
Schwingen des Trauermantels oder des Totenkopfschwärmers.
Das Tierchen glich dem winzigen Modell
eines Sauriers, jener riesenhaften geflügelten Echsen
der Vorzeit.
    Unter der eingelangten Post war auch ein Gratulationsschreiben
Mariposas, meines Wissens der erste
Brief, den er überhaupt an Désirée schrieb. Diesmal
bekannte er sich zu seinem Geschenke, bat sie aber,
ihn vor der Öffentlichkeit nicht als Spender zu verraten.
Ich selbst erholte mich bald von meinem Erstaunen.
Ich habe ja leider nicht viel Sinn für naturwissenschaftliche
Entdeckungen. Zumindest beurteile ich sie bloß
nach ihrem praktischen Nutzwert. Und für das Wohl
und Wehe der Menschheit mag es füglich einerlei sein,
ob da irgendwo ein geflügelter Salamander lebt oder
nicht.
    Umso größer war Désirées Ergriffenheit. Über meine
»Indolenz« war sie geradezu empört. Ich hätte nie gedacht,
daß sie wegen einer rein wissenschaftlichen Angelegenheit
derart in Hitze geraten könnte. Fast hätte
es wieder einmal Streit gegeben wegen Mariposa.
    Désirées erster Weg war zu einem ihrer Professoren,
um ihm das Tier zu zeigen. Der untersuchte es tagelang
und veröffentlichte darüber eine lange Abhandlung
in einer Fachzeitschrift. Abhandlungen anderer
Professoren folgten.
    Immer wieder meldeten sich bei Désirée Gelehrte aller
Länder mit der Bitte, das seltsame Tier besichtigen
zu dürfen. Immer neue Artikel, nicht nur in den Fachblättern,sondern auch in der Tagespresse, erschienen
über die »Salamandra alata vel miraculosa« 3 ) . Es war
Hochsommer, von Krieg und großer Politik nichts zu
berichten. Der geflügelte Salamander bot den Zeitungen
willkommenen Ersatz für die große Seeschlange.
    Désirée war nicht wenig stolz auf die große Sensation,
welche »ihr« Salamander hervorrief. Sie sammelte
alle Aufsätze darüber und gab sie mir zu lesen.
    Allmählich entdeckte auch ich meine Liebe zu den
Naturwissenschaften, las diese Aufsätze mit wachsendem
Interesse und lernte nun erst die gewaltige Bedeutung
jenes Phänomens zu würdigen.
    Die Gelehrten waren völlig ratlos. Es wurden gewichtige
Stimmen laut, welche behaupteten, das Tier
sei das Produkt einer künstlichen Züchtung. Aber sie
wurden überstimmt. Mit großem Aufwande von Gelehrsamkeit
und Scharfsinn wurde nachgewiesen, daß
eine derart künstliche Züchtung die gegenwärtig als
unumstößlich geltenden Ergebnisse der Wissenschaft
nicht nur um ein Unermeßliches überflügeln, sondern
geradezu ad absurdum führen würde. Und warum, so
fragte man, bleibe der Züchter, wenn es wirklich einen
solchen gäbe, im verborgenen? Wenn er es für gut
finde, die Resultate seiner Forschungen der Welt zu
zeigen, warum halte er ihre Darlegungen geheim,
warum entziehe er sich der wohlverdienten Bewunderung?
Derlei wäre unerhört in der Geschichte der Erfindungen
und gegen alle Wahrscheinlichkeit.
    Mariposa selbst veröffentlichte nicht eine einzige
Zeile über den Flügelsalamander. Dabei bezog er regelmäßig
sämtliche in sein Fach schlagende Zeitschriften
und war ständiger Mitarbeiter der angesehensten unterihnen. In seinem Bibliothekzimmer waren ganze Regale
angefüllt mit diesen verschiedenfarbigen und verschiedensprachigen
Heften, auf seinem Schreibtisch
türmten sich ganze Stöße der von ihm veröffentlichten
Artikel.
    3)   geflügelter oder Wundersalamander
    Es war also außer Frage, daß er den Aufruhr kannte,
der über sein Werk — und der Flügelsalamander war
sein »Werk«, er hatte ihn er funden, nicht ge funden —
entstand. Und dennoch blieb er stumm.
    Das war grandios. Das war einmal eine Geste, die
mir imponierte. Eine ungeheure Entdeckung machen
und sie einfach hinwerfen vor die verdutzte Menschheit:
»Da habt ihr, zerbrecht euch den Kopf!« Und dabei
sein majestätisches Inkognito nicht lüften.

    E ndlich konnte ich meinen
Sommerurlaub antreten, gemeinsam mit Désirée.
Unser nächstes Reiseziel war Venedig.
    Was wir da auf dem Markusplatz sahen, habe ich
schon zu Beginn meiner Erzählung geschildert.
    Als der geflügelte Löwe in den Lüften verschwand,
wechselte ich mit Désirée einen Blick stummen Einverständnisses.
    Sie war sonderbar schweigsam und sagte bloß:
»Mich mutet all dies an wie das gutmütige Lachen
eines Riesen. Wir können

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