Papilio Mariposa
selbst.
Schön. Warum sie dann nicht Mariposas Auftrag
befolgten, in allen wichtigeren Angelegenheiten meine
Weisungen einzuholen?
Weil es wichtigere Angelegenheiten — eigentlich —
nicht gab. (Das Wort »eigentlich« kam recht stockend
heraus.) Die Wirtschaft ging ihren gewohnten Gang.
Den Pachtschilling entrichteten sie pünktlich.
Letzteres stimmte. Das wußte ich, da ich Mariposas
Vermögensverwaltung führte.
Ob es ihnen nicht auffiel, daß Mariposa sie von seiner
Abreise schriftlich in Kenntnis setzte?
Daran konnten sie gar nichts Auffallendes finden.
Mariposa verkehrte in der letzten Zeit mit ihnen fast
nur schriftlich. Was er ihnen mitzuteilen hatte, schrieb
er auf Zettel, die sie in dem Briefkasten am Villentor
oder auf seinem Schreibtisch fanden. Bisweilen wurden
ihnen solche Zettel auch von Rolf, dem Hunde Mariposas,
überbracht. Das Herrschaftsgebäude durften sie
nur morgens zum Reinemachen betreten. Und auch da
blieb ihnen Mariposa unsichtbar, denn in den Räumen,
die sie eben reinigten, hielt er sich niemals auf.
Ob sie mir vielleicht die letzte Nachricht Mariposas
zeigen könnten, nämlich den Zettel, worauf er sie von
seiner unmittelbar bevorstehenden Abreise verständigte?
Der Mann verneinte; er habe ja keine Veranlassung
gehabt, diesen belanglosen Zettel aufzubewahren. Die
Frau aber begann in einer Lade zu kramen und brachte
ihn schließlich zum Vorschein.
Auf der Rückseite war irgendeine Zahlung bestätigt.
Hätte sie das Papier nicht dazu verwendet, sich darauf
diese Zahlung bestätigen zu lassen, so wäre es längst
weggeworfen worden.
Ich besah mir den Zettel. Die Handschrift stammte
zweifellos von Mariposa. Aber das Datum fehlte.
Es war also immerhin denkbar, daß diese Nachricht
nicht vor einem Jahr, sondern schon viel früher, anläßlich
einer anderen Reise Mariposas, geschrieben worden
war und nun von den Leuten als Entlastungsbeweis
benützt wurde.
Aber dann hätten sie doch selbst sogleich davon gesprochen,
sie sorglich aufbewahrt und mir mit allem
Nachdruck vorgewiesen. Dagegen war es offensichtlich,
daß sie den Zettel verloren glaubten und erst jetzt zufällig
fanden.
Freilich konnte all dies auch bloße Spiegelfechterei
sein, und die entlastende Kraft dieses von ihnen zurechtgemachten
Beweismittels desto stärker wirken zu
lassen.
Das setzte aber eine Geriebenheit voraus, die ich
diesen schlichten Leuten unmöglich zutrauen konnte.
Ich mochte sie noch so scharf beobachten, aus ihrem
Gehaben, ihren Blicken sprach wohl unfreundliche
Beklommenheit, doch kein schuldbeladenes Gewissen.
Auch hatte ich mich, ehe ich das Grundstück kaufte,
sorgfältig nach ihrem Ruf erkundigt. Ihr Leumund war
der beste, und Mariposa selbst lobte immer wieder ihre
Treue und Verläßlichkeit.
Dies alles fuhr mir durch den Sinn, während ich den
beiden in der düstern Stube schweigend gegenüberstand.
Den Zettel nahm ich jedenfalls an mich.
Dann sah ich nach dem Herrschaftshause.
Der Weg dahin war stockdunkel. Als ich zum Garten
kam, da stürzte etwas auf mich los, so heftig, daß es
mich fast überrannte. Und dann sprang’s an mir empor,
schnuppernd, winselnd, liebkosend.
Rolf! Also doch eine Freude unter all den düstern
Rätseln. Und dennoch wieder etwas Trauriges: Nein,
verreist war Mariposa nicht. Sonst hätte er den Hund
mit sich genommen, den unzertrennlichen Gefährten.
Ich öffnete und machte Licht. Der Hund umkreistemich, dann blieb er stehen, mir gegenüber, sah mir
ernsthaft in die Augen und begann zu bellen. Ein kurzes,
scharfes Bellen — wie eine Frage war es —, das in
ein langgezogenes, wehklagendes, hilferufendes Heulen
ausklang.
Nun erzählte er mir, dem Freunde seines Herrn. Armes
Tier, wenn ich doch deine Sprache verstünde,
wenn ich doch erraten könnte, welch trauriges Geheimnis
du mir anvertrauen willst.
Übel sah er aus, der arme Rolf. Ganz abgemagert,
das sonst so glänzend glatte Fell war struppig, und
seine Augen flackerten in irrem Glanze.
Armes, edles Tier! Das Bauernvolk hat für dich wohl
nur Püffe und Fußtritte übrig, du verzehrst dich in
Sehnsucht nach deinem gütigen Herrn.
Ich besah mir die einzelnen Räume des Hauses. Sie
waren in guter Ordnung gehalten, und ich konnte nirgends
etwas Auffälliges entdecken.
Beim Fortgehen bemerkte ich, daß ein Fensterflügel
offenstand. Ich wollte die Bauersleute darauf aufmerksam
machen, doch es war bei ihnen schon dunkel. Sie
hielten es nicht einmal der Mühe wert, meine Rückkehr
abzuwarten. Übrigens
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