Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Papilio Mariposa

Papilio Mariposa

Titel: Papilio Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
Vom Netzwerk:
froh sein, solang’ er lacht.
Wehe, wenn er uns einmal seine Faust zeigt. Dieser
Mariposa kann ja die ganze Schöpfung durcheinanderwerfen,
der beschert uns noch einen achten Schöpfungstag.
    Gib acht, das alles war erst Vorspiel; das Schauspiel
selbst wird erst beginnen . . . Wer weiß«, sie sprach’s
nachdenklich, fast bedrückt, »ob es nicht eine Tragödie
wird.«
    »Sonderbar«, erwiderte ich, »daß das Schauspiel —
oder, wenn du willst, das Vorspiel — gerade an dem
Tage unserer — Verzeihung — deiner Ankunft in Venedig
aufgeführt wird. Ist das Zufall, oder sollte etwa die
ganze Vorstellung nur dir allein gegolten haben?«
    Désirée errötete und schwieg.
    Am selben Abend schrieb ich Mariposa: Bisher hätten
Désirée und ich niemandem verraten, daß er der
Züchter jener geflügelten Wesen sei; nun möge er das
prachtvolle Inkognito, womit er die Welt nicht weniger
in Atem halte als mit den Phänomenen seiner geheimnisvollen
Kunst, doch endlich lüften.
    Der Brief kam zurück mit dem Vermerk: Adressat
ins Ausland verreist.

    H erbst und Winter verstrichen,
ohne daß ich etwas von Mariposa hörte. Offenbar
hatte er seine große Forschungsreise angetreten.
    Daß er mir von Zentralafrika — oder wo sonst das
Ziel dieser Reise liegen mochte — keine Nachricht
übermittelte, war nicht verwunderlich. Unbegreiflich
war, daß er mir von all den Zwischenstationen, die er
passieren mußte, von all den Seehäfen und Binnenstädten
nicht eine Zeile schrieb, nicht einmal eine Ansichtskarte
schickte.
    Dagegen stellten sich die Liebesgaben an Désiréemit unveränderter Pünktlichkeit ein: Bücher, Blumen,
aber kein Wort des Grußes.
    Wir suchten bei den Kaufleuten, welche die Geschenke
für Désirée abgeben ließen, Näheres über Mariposa
zu erkunden. Sie wußten nicht mehr zu sagen,
als daß diese Gegenstände schon vor Jahresfrist bestellt
und bezahlt worden waren.
    Eines Tages im März hatte ich bei einem Kreisgerichte
zu tun, nicht allzu weit von dem Landgut Mariposas.
Die Verhandlung war vorüber, ich hatte schon
ein gutes Stück auf der Straße nach Wien zurückgelegt;
da ließ ich, unter dem Zwange eines plötzlichen
Entschlusses, den Chauffeur umkehren und zu dem
Gute Mariposas fahren. Ich wollte einmal an Ort und
Stelle nachsehen, was mit ihm los sei; vielleicht hatten
seine Pächtersleute Nachricht von ihm. Auch hatte er
mich, als er Abschied nahm, gebeten, ich möge von
Zeit zu Zeit auf seinem Gute Nachschau halten.
    Die Straße war infolge der Regengüsse vollkommen
aufgeweicht, wir konnten kaum vorwärts kommen. Es
war stockdunkel, als ich anlangte.
    Die Pächtersleute empfingen mich nichts weniger
als freundlich. Mürrisch und sichtlich widerwillig erteilten
sie mir Auskunft, und ich konnte mich des Eindrucks
nicht erwehren, daß sie mehr wußten, als sie
sagten.
    Alles, was ich von ihnen erfuhr, war, daß Mariposa
vor mehr als einem Jahr des öfteren von seiner bevorstehenden
großen Reise sprach. Ob und welche Vorbereitungen
er traf, wußten sie nicht, da sie ihm dabei
nicht halfen. Ihr wiederholtes Anerbieten, ihn bis zur
nächsten — vier Wegstunden entfernten — Eisenbahnstation
zu begleiten oder zumindest sein Gepäck hinzubefördern,lehnte er ab. Wie er das Gepäck fortbrachte,
ob er solches überhaupt hatte, wann er abreiste,
das wußten sie nicht. Eines Tages fanden sie auf
seinem Schreibtisch einen Zettel mit der Mitteilung,
er sei verreist, sie mögen in allen wichtigeren Angelegenheiten
meine Weisungen einholen und überhaupt
meine Anordnungen befolgen. Das war vor etwa
einem Jahr. Seitdem keine Nachricht von ihm.
    All dies klang höchst seltsam, ja verdächtig. Warum
waren diese Leute so mürrisch, was verheimlichten sie
vor mir? Waren sie aus irgendwelchen Gründen Mariposa
aufsässig und übertrugen diese Feindseligkeit auf
mich als seinen Freund?
    Und was für eine Bewandtnis hat es mit dieser heimlichen
Abreise, mit der Verschollenheit seither? Ist da
am Ende ein Verbrechen im Spiele?
    Der Hof lag völlig einsam, weit und breit war keine
Ansiedlung. Solche Einsamkeit ermutigt zum Verbrechen.
Hatten sie meinen Freund ermordet, um ihn zu
berauben, um das Gut an sich zu bringen?
    Ich stellte mit den Leuten ein förmliches Verhör an.
    Warum sie es nicht der Mühe für wert fanden, mich
von seiner heimlichen Abreise, von seiner auffallend
langen Abwesenheit zu verständigen?
    Sie hätten gedacht, ich als sein Anwalt und Freund
wüßte darüber weit besser Bescheid als sie

Weitere Kostenlose Bücher