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Papilio Mariposa

Papilio Mariposa

Titel: Papilio Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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ein neuerlicher Beweis für
ihr ruhiges Gewissen.

    I ndessen hatten wir beide,
der Chauffeur und ich, gewaltigen Hunger bekommen.
Es war gar nicht leicht, in der Dunkelheit und bei dem
Sturmwind, der sich erhoben hatte, das nächste Wirtshaus
zu erreichen.
    Durch die Fenster schimmerte Licht. Ich trat ein; in
der Wirtsstube waren noch Gäste.
    Ich ließ ein reichliches Nachtmahl auftragen, das
uns trefflich mundete. Dann steckte ich mir eine Zigarre
an und lehnte mich behaglich zurück, um die
Wärme und die trauliche Stimmung dieses Raumes zu
genießen, ehe ich die Rückfahrt durch die kalte, stürmische
Nacht antrat.
    Die Stube war geschmückt mit altem edlem Hausrat;
ein mächtiger, schön gekachelter Ofen, reich geschnitzte
Truhen, schwere Spinde, bestanden mit Zinnkrügen,
an den Wänden Jagdtrophäen. Das Licht der
Öllampe tauchte all dies in einen ungewissen Dämmer.
Es war wie das Stilleben eines holländischen
Meisters.
    Während ich dies mit Muße betrachtete, hörte ich
dem Gespräche der Bauern zu. Anfänglich redeten sie
von ihrer Wirtschaft und von den sonstigen Sorgen des
Alltags. Dann kamen Spukgeschichten an die Reihe,
wie sie das Landvolk liebt, wenn es am Abend in der
warmen Stube beisammensitzt und draußen der Sturm
an den Fenstern rüttelt.
    Einer erzählte vom Vampir, der in der Nacht die
Menschen und die Tiere überfällt und ihnen das Blut
aussaugt. Manche hörten bedächtig zu, ohne ihre Ansicht
kundzugeben, mehrere schüttelten den Kopf und
meinten, so etwas gäbe es heutzutage nicht mehr.
    Einer war dabei, der horchte hoch auf mit allen Zeichen
der Erregung. Nachher sprang er empor, schlug
auf den Tisch und sagte in dem breiten Dialekt dieser
Gegend: »Ös 4 ) glaubt’s, daß so wos net gibt. No i sog
Eich, so wos gibt’s. I sölba hon’s gsegn 5 ) .
    4)   ihr
    5)   gesehen
    Vur aner Woch’n, do bin i mitten in d’r Nocht munter
wurn 6 ) ,
wäu 7 ) in der Heanersteig’n 8 ) so a Lärm wor. I
hon glaubt, der Fuchs is wieder amol einag’stign, und
renn’ aussi aufn Hof.
    Wiar i d’Haustür aufmoch, do her 9 ) i iber mir wos
rausch’n. Z’erscht hon i glaubt, es is inser 10 ) Hausstorch.
Don denk i ma oba 11 ) glei: Hiazt 12 ) in März der Storch?
Der kumt 13 ) do erscht in Fruahjohr wieder. Oder is’s
leicht 14 ) gor a Odler oder a Geier? Oba dö fliagn do net
aus in da Nocht.
    No, i schau auf, fliagt do so a riesig’s Viech davo’,
grod iber mein Schädl.
    I hob’s net genau ausnehma 15 ) kina 16 ) , wäu’s scho
z’hoch wor und wäu’s gonz finster wor. Fligl hot’s ghobt
gresser wia a Schofgeier 17 ) .
Gonz deutli 18 ) hot ma den
Fliglschlog g’hert. Dös wor grauslich.
    Oba a Vogl wor dös net, drauf kon i schwern bein
Kruzifix.
    Dos Herz is ma steh’nbliebn vur Schrecken.
    Pfeu’gschwind 19 ) is davog’flogn zuwi zun Woid 20 ) . Und
in Fliag’n hot’s wos obag’schmissn 21 ) .
    Mei schenster Hao 22 ) wors.
    In Kopf hat’s eahm oh’bissn und’s gonze Bluat
ausg’soffn . . .
    Also wer war dös? A Vogl wor’s net . . .
    Na, mei Lebtag vergiß’ i net dran.«
    Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Angenehmes
Gruseln zitterte durch die Stube.
    Mein Chauffeur hatte mir während dieser Erzählungimmer wieder bedeutsame Zeichen gemacht und mich
spöttisch angeblickt, womit er die ganze Verachtung
des aufgeklärten Städters gegenüber dem abergläubischen
Dörfler zum Ausdrucke bringen wollte.
    6)   geworden
    7)   weil
    8)   Hühnerstall
    9)   höre
    10)   unser
    11)   aber
    12)   jetzt
    13)   kommt
    14)   vielleicht
    15)   ausnehmen, erkennen
    16)   können
    17)   Lämmergeier
    18)   deutlich
    19)   pfeilgeschwind
    20)   Wald
    21)   herabgeworfen
    22)   Hahn
    Nun begann die Debatte. Die Meinungen waren geteilt,
ein Wortwechsel entspann sich. Die Stimmung
wurde immer erregter, und es hatte den Anschein, als
ob die Meinungsverschiedenheiten nach bäuerlicher
Art durch eine kleine Wirtshausrauferei ausgetragen
werden sollten.
    Nun machte ich, daß ich davonkam. Ich rief den
Hund, denn ich wollte ihn nach Wien mitnehmen.
Aber das Tier war verschwunden — ich wußte nicht wie
— und meldete sich nicht trotz allem Rufen.

    D ie Rückfahrt war äußerst
widerwärtig. Der Regen prasselte nieder, der Sturm
blies uns entgegen, und die Straße war grundlos vor
Nässe. Es war kaum vorwärts zu kommen.
    Ich hatte mich zurückgelehnt, um zu schlafen. Plötzlich
fuhr ich auf. Wir hielten.
    Der Chauffeur hatte sich nach mir umgewandt und
starrte

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