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Papilio Mariposa

Papilio Mariposa

Titel: Papilio Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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in die Gegend, wo das Landgut Mariposas
lag.
    Mariposa und immer wieder Mariposa! Nein — ich
machte unwillkürlich eine abwehrende Geste —, ich
darf mir meinen Lebensmut und meine Arbeitsfreude
durch diese unfruchtbaren Grübeleien nicht trüben
lassen. Und starrte doch noch weiter hinaus ins Dunkel,
als ob ich etwas suchte . . .
    Dort, hoch oben, was ist das? Zuerst ein weißer
Schimmer wie ein ferner Stern. Doch es senkt sich,
wird immer größer; jetzt sieht man’s schon ganz deutlich.
Flügel hat es, ungeheuere Falterschwingen.
    Der Menschenfalter! Als hätten meine Gedanken
ihn herbeigerufen! Immer näher fliegt er heran, geradewegsgegen den fahrenden Zug. Nun streift er schon
die Telegraphendrähte.
    Wie schön er ist! Silberweiß leuchtet er durchs Dunkel,
schön und doch schrecklich!
    Jetzt streicht er längs des Zuges, mühelos schwebend,
und doch jagen wir dahin im Achtzigkilometertempo.
    Plötzlich schießt er auf mich los, starrt mich an mit
seinen flammenden Riesenaugen und spricht. Nein,
er spricht nicht, aber ich verstehe ihn ganz deutlich,
so daß ich wie nach Diktat alles niederschreiben
könnte.
    »Warum fliehst du vor mir? Warum hast du dich, als
ich dich in deinem Landhaus suchte, vor mir verschlossen?
Weißt du noch immer nicht, daß ich Mariposa
bin? Fürchtest du, ich werde dir ein Leid tun? Dir sicher
nicht. Sehe ich so furchterregend aus? Ich habe
oft genug mein Spiegelbild beschaut. Im Weiher, unweit
meinem Hause, wenn die Nächte mondhell waren.
Und auch bei Tage, oben im Gebirge, in einsamen Bächen
und Quellen.
    Als ich aus dem Verpuppungsschlaf erwachte, lag
Dunkel über meinen Sinnen. Ich fand nicht das Bewußtsein
meiner selbst, wußte nicht, wer und wo ich
bin.
    Allmählich dämmerte es in mir.
    Eines Abends, als die letzten Sonnenstrahlen auf das
Fenster trafen, erkannte ich in der aufflammenden
Scheibe mein Spiegelbild. Und mit einem Male wußte
ich, wer ich bin und wer ich war.
    Mich überkam Neugier, Freude, unbändiger Stolz.
Was ich da fühlte, hat noch nie ein Mensch gefühlt.
Wenn sich’s mit menschlichem Erleben vergleichenläßt, so etwa mit dem Wohlgefallen an einem neuen,
prächtigen Gewand — ins Unermeßliche gesteigert.
    Dennoch ist mir die Verwandlung nicht geglückt,
nicht ganz. Rechenfehler sind mir unterlaufen, furchtbare
Irrungen, die ich furchtbar werde büßen müssen.
In manchem bin ich den Menschen überlegen, nicht
nur in der Flugkraft; und in manchem wiederum bin
ich ein Tier.
    Ich habe übersehen, daß die Raupenhormone, deren
Isolierung mir gelang und die ich meinem Organismus
in großen Mengen zuführte, nicht nur die Träger der
verwandelnden Kraft, sondern auch der Zeugungslust
und Zeugungskraft sind. Die verwandelnde Kraft hat
sich in der Metamorphose aufgezehrt, aber die Geschlechtskraft
hat sich meinem Körper mitgeteilt und
in ihm festgesetzt. Die Liebessehnsucht, die mich letzten
Endes zu dem großen Wagnis antrieb, die plagt
mich jetzt als maßlos unersättliche Geschlechtsgier.
    Noch etwas, das ich nicht genügend vorbedachte
und worin sich eine unvorhergesehene Wandlung vollzog.
Mein Organismus duldet keine Pflanzennahrung:
Ich bin ein Carnivore, ich brauche Fleisch. Noch trübt
dies nicht die Klarheit meiner menschlichen Vernunft.
Aber ich fühle: Wenn der Trieb mich überfällt, dann
ist er stärker als alles andere. Ich brauche Blut und
Fleisch!
    Ach, und das Gräßlichste, die Einsamkeit, die grenzenlose
Einsamkeit. Früher mieden mich die Menschen
wegen meiner Häßlichkeit. Doch war ich für sie
immer noch ein Mensch, jetzt aber, wenn ich mich
ihnen zeige, fliehen sie entsetzt und glauben, ich sei ein
böser Traum oder ein Gespenst. Und wenn sie meiner
habhaft werden könnten, würden sie mich töten oderin einen Käfig sperren wie ein wildes Tier und anstarren
wie ein Fabelwesen.
    Und doch, wie dürste ich, wie lechze ich nach
menschlicher Gemeinschaft. Zwar die Frauen, nach deren
Liebe ich mich früher vergeblich sehnte, die habe
ich jetzt zum Überdruß; sie sind mir alle hörig. Aber
sind das denn Gefährten? Besessene Sklavinnen sind
sie.
    Bedenke, wie ich leben muß, ermiß doch diese hoffnungslose
Einsamkeit. Mein eigenes Haus ist mir verschlossen.
In tiefer Nacht, heimlich wie ein Dieb muß
ich mich einschleichen, wenn ich sehen will, was mir
gehört und was mir lieb ist. Denn wenn mein eigenes
Gesinde mich sehen würde, so fiele es mit Dreschflegeln
und Heugabeln über mich her.
    Kunst und Wissenschaft und alles, was das

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