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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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zurück. Clousiot hüpft auf einem Bein, der Kolumbier desgleichen. Ich blute entsetzlich aus einer Wunde am Kopf, die von einem Gewehrkolbenhieb herrührt.
    Die Schüsse haben Don Gregorio geweckt, der in dieser Nacht zum Glück Wache hielt und in seinem Büro schlief. Ohne sein Dazwischentreten hätten uns die Gewehrkolben und Bajonette den Garaus gemacht. Und am meisten versessen auf mich ist genau der Sergeant, den ich dafür bezahlte, daß er den beiden Wächterkomplizen die Wache überläßt. Don Gregorio hält die wilden Hunde zurück. Er droht ihnen, sie vor Gericht zu stellen, wenn sie uns ernsthaft verwunden. Dieses Zauberwort hält sie in Schach.
    Am nächsten Tag wird Clousiots Bein im Spital eingegipst. Das Knie des Kolumbiers wird von einem Gefangenen eingerenkt und erhält einen Velpeau-Verband. Meine Füße sind über Nacht so angeschwollen, daß sie fast so groß sind wie mein Kopf, und rot und blau angelaufen. Der Arzt verordnet Bäder in lauwarmem Salzwasser und setzt mir dreimal im Tag Blutegel an. Sie fallen, wenn sie genug Blut gesoffen haben, von selbst ab und werden dann zur Ausscheidung und Weiterverwendung in Essig gelegt. Die Wunde am Kopf ist mit sechs Nähten geschlossen worden.
    Ein übereifriger Journalist hat einen Artikel über mich losgelassen. Er behauptet, ich sei der Chef der »Kirchenrevolte«, hätte einen Posten »vergiftet« und schließlich eine »Kollektivflucht« mit Komplizen von außen veranstaltet, nachdem diese »im Verlauf eines. Handgemenges beim Transformator« das Licht im ganzen Viertel abgeschaltet hätten. »Hoffen wir, daß Frankreich uns möglichst bald von diesem Gangster Nummer eins befreit«, hieß es zum Schluß.
    Joseph hat mich mit Annie, seiner Frau, besucht. Der Sergeant und die drei Polizisten sind jeder für sich wegen der anderen Hälfte der Geldscheine vorstellig geworden. Frau Annie fragt mich, was sie tun soll. Ich sage ihr, sie soll zahlen, denn es war nicht die Schuld der Posten, daß es danebenging, sie haben ihr Versprechen gehalten.
    Seit einer Woche werde ich auf einem eisernen Schubkarren im Hof spazierengeführt. Meine Füße liegen erhöht auf einem Stück Stoff, das zwischen zwei Hölzern ausgespannt ist, die an den Griffen des Karrens befestigt sind. Das ist die einzige Lage, in der ich weniger Schmerzen habe. Die dick geschwollenen, blutunterlaufenen Füße dürfen an nichts anstoßen, nicht einmal beim Liegen. Erst nach vierzehn Tagen läßt die Schwellung etwas nach, und ich werde zum Röntgen gebracht. Beide Fersenbeine sind gebrochen, ich werde mein Leben lang Plattfüße haben.
    Heute kündigt die Zeitung für das Monatsende die Ankunft des Schiffes an, das uns mit einer französischen Polizeieskorte abholen kommt. Es heißt »Mana«, schreibt das Blatt. Wir haben den 12. Oktober. Es bleiben uns also nur noch achtzehn Tage, um die letzte Karte auszuspielen. Aber wie, mit gebrochenen Füßen?
    Joseph Dega ist verzweifelt. Er berichtet mir, daß die Franzosen und alle Frauen im Barrio Chino ganz konsterniert sind, daß ich schon in wenigen Tagen den französischen Behörden ausgeliefert werden soll, wo ich doch so um meine Freiheit gekämpft habe. Mein Fall bringt die ganze Kolonie durcheinander. Es tröstet mich, zu wissen, daß alle diese Männer und Frauen moralisch auf meiner Seite stehen.
    Ich habe den Plan, einen kolumbischen Polizisten zu töten, fallengelassen. Ich kann mich einfach nicht dazu entschließen, einem Menschen das Leben zu nehmen, der mir nichts getan hat. Er könnte einen Vater, eine Mutter haben, die er unterstützen muß, oder eine Frau und Kinder. Ich muß lachen bei dem Gedanken, daß ich erst einen bösen Polizisten ohne Familie finden müßte. Ich müßte ihn direkt fragen: Wirst du auch niemandem fehlen, wenn ich dich jetzt umbringe?
    An diesem Morgen des 13. Oktober bin ich recht niedergeschlagen. Ich betrachte ein kleines Stück kristallisierte Pikrinsalpetersäure, das mich, nach dem Essen eingenommen, gelbsüchtig machen soll. Wenn ich dann in Spitalspflege bin, könnte ich vielleicht unter Mitwirkung von Männern, die von Joseph bezahlt sind, aus dem Spital entkommen. Am Vierzehnten bin ich gelb wie eine Zitrone. Don Gregorio kommt mich im Hof besuchen. Ich erhebe mich, die Beine hoch in der Luft, halb auf meinem Schubkarren, der im Schatten steht. Ohne alle Umschweife nehme ich die Sache in Angriff.
    »Zehntausend Pesos für Sie, wenn Sie mich in Spitalspflege geben.«
    »Ich will es versuchen,

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