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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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Dega und die drei auf der Flucht Verhafteten: Julot, Galgani und Santini. Die vierzig Mann werden in Zehnerreihen aufgestellt. Vorne und an der Seite jeder Reihe je ein Aufseher. Keine Fesseln, keine Ketten.
    Drei Meter vor uns marschieren zehn Gendarmen im Rückwärtsgang, das Gesicht uns zugewendet, den Karabiner in der Hand, jeder von einem anderen am Gürtel gehalten.
    Das große Tor der Festung öffnet sich, langsam setzt die Kolonne sich in Marsch. Gendarmen mit Gewehr oder Maschinenpistole schließen sich nach und nach, in zwei Meter Abstand, dem Konvoi an. Ein Haufen Neugieriger, die der Abfahrt ins Bagno beiwohnen wollen, wird von den Gendarmen zurückgedrängt. Wir marschieren. Auf einmal höre ich, wie jemand aus den Fenstern eines Hauses leise pfeift. Ich blicke auf und entdecke an dem einen Fenster meine Frau Nenette und Antoine D., einen Freund. An dem andern steht Paula, die Frau von Dega, und dessen Freund Antoine Giletti. Auch Dega hat sie entdeckt, und wir halten, solang es nur geht, den Blick auf jene Fenster gerichtet. Damals sah ich meine Frau zum letztenmal. Und auch meinen Freund Antoine, der später beim Bombardement Marseilles ums Leben kam.
    Niemand redet, es herrscht absolutes Schweigen. Weder die Gefangenen noch die Aufseher und Gendarmen stören diesen wahrhaft ergreifenden Moment, da hundertachtzehn Menschen für immer aus dem normalen Leben scheiden. Wir gehen an Bord. Wir vierzig Mann kommen zuerst dran und werden tief hinunter in den Schiffsraum, in einen von dicken Eisenstäben umgebenen Käfig geführt. »Saal Nr. 1. Vierzig Mann besonderer Kategorie. Dauernde, strenge Bewachung«, steht auf einem Schild. Jeder von uns erhält eine zusammengerollte Hängematte. Es gibt in dem Käfig eine Menge Ringe, an denen die Hängematten befestigt werden.
    Ein Mann umarmt mich, es ist Julot. Er kennt das alles, er hat die Reise schon einmal gemacht, vor zehn Jahren. »Schnell, komm her!« sagt er. »Häng deinen Sack hier an den Ring, damit er gleich dir gehört, und dann mach deine Hängematte an ihm fest. Da herüben werden nämlich während der Fahrt die beiden Luken geöffnet, da ist die Luft besser.«
    Ich mache ihn mit Dega bekannt. Wir haben uns kaum zu unterhalten begonnen, als ein Mann auf uns zukommt. Julot versperrt ihm den Weg: »Betritt nie diese Seite, wenn du das Bagno lebend erreichen willst, verstanden?«
    »Ja«, sagt der andere.
    »Weißt du, warum?«
    »Ja.«
    »Also dann scher dich fort!«
    Der Bursche geht. Diese Machtdemonstration Julots beglückt Dega, und er verbirgt es nicht. »Bei euch beiden werde ich ruhig schlafen«, sagt er.
    »Bei uns bist du besser aufgehoben als in einer Villa an der Küste mit offenen Fenstern!« erwidert Julot.
    Die Reise dauerte achtzehn Tage. Es gab einen einzigen Zwischenfall: Eines Nachts wurden wir von einem gellenden Schrei geweckt – ein Bursche wurde mit einem riesigen Messer zwischen den Schultern tot aufgefunden. Das Messer hat ihn durch und durch aufgespießt und vorher die Hängematte durchbohrt. Es war mehr als zwanzig Zentimeter lang.
    Fünfundzwanzig bis dreißig Aufseher richten ihre Revolver und Karabiner auf uns.
    »Alles ausziehen, und zwar rasch!«
    Wir entkleiden uns, stehen splitternackt da. Mann will uns durchsuchen. Ich stecke mein Skalpell unter meinen rechten Fuß und verlege mein Gewicht mehr auf das linke Bein, um mich nicht zu verletzen. Der Fuß bedeckt das Messer. Vier Aufseher kommen herein und beginnen unsere Kleider und Schuhe zu durchwühlen. Sie haben ihre Waffen abgelegt und die Tür zugemacht, aber wir werden von draußen her mit angelegtem Karabiner bewacht. »Wer sich rührt, wird niedergeknallt«, ruft die Stimme des Oberaufsehers.
    Ergebnis der Durchsuchung: drei Messer, zwei spitz zugefeilte Zimmermannsnägel, ein Korkenzieher und ein Stöpsel aus Gold. Sechs Mann müssen nackt hinaus auf die Plattform. Kommandant Barrot erscheint in Begleitung der beiden Kolonialärzte und des Schiffskommandanten. Sowie die Posten unseren Käfig verlassen haben, ziehen sich alle wieder an. Ich bin wieder im Besitz meines Messers.
    Die Aufseher haben sich auf die Plattform zurückgezogen. Barrot steht in der Mitte, die übrigen an der Treppe. Ihnen gegenüber stehen die sechs Mann, unbekleidet und die Hände angelegt.
    »Das gehört dem da«, sagt der Posten, der die Durchsuchung durchgeführt hat, und deutet mit einem Messer auf dessen Besitzer.
    »Stimmt, das gehört mir.«
    »Gut«, sagt Barrot. »Er wird in der

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