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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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Zelle über den Maschinen reisen.«
    Fünf Männer bekennen sich zum Besitz der beiden Nägel, des Korkziehers und zweier Messer. Zwei Posten eskortieren sie die Treppe hinauf. Ein Messer und der goldene Stöpsel bleiben übrig. Ein dreiundzwanzigbis fünfundzwanzigjähriger Mann, mindestens ein Meter achtzig lang, ein Athlet mit blauen Augen, ist der Besitzer von beiden.
    »Der gehört dir, nicht wahr?« fragt der Aufseher und streckt ihm den Stöpsel hin.
    »Ja, der gehört mir.«
    »Was enthält er?« fragt Kommandant Barrot, der das Rohr in die Hand genommen hat.
    »Dreihundert englische Pfund, zweihundert Dollar und zwei Diamanten von fünf Karat.«
    »Laß sehen!« Er öffnet den Stöpsel. Doch da der Kommandant von den Aufsehern umgeben ist, können wir nichts sehen. »Stimmt«, hört man nur. »Wie heißt du?«
    »Salvidia Romeo.«
    »Italiener?«
    »Ja, Herr.«
    »Für den Stöpsel wirst du nicht bestraft, wohl aber für das Messer.«
    »Verzeihung, das Messer gehört mir nicht.«
    »Wie kannst du das sagen? Ich habe das Messer in deinem Schuh gefunden«, versetzt der Aufseher.
    »Ich wiederhole, das Messer gehört mir nicht.«
    »Dann bin ich also ein Lügner?«
    »Nein, aber Sie täuschen sich.«
    »Wem gehört das Messer denn?« fragt Kommandant Barrot. »Wenn es nicht deines ist, dann gehört es wohl einem andern?«
    »Es gehört nicht
mir,
das ist alles.«
    »Wenn du nicht in der Dunkelzelle rösten willst, sie liegt über den Heizkesseln, dann sag sofort, wem das Messer gehört!«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Willst du mich zum besten halten? Man findet ein Messer in deinem Schuh, und du weißt nicht, wem es gehört? Hältst du mich für schwachsinnig? Entweder es ist dein Messer, oder du weißt, wer es in deinem Schuh versteckt hat. Antworte!«
    »Es gehört nicht mir, und ich bin nicht verpflichtet, zu sagen, wem es gehört. Ich bin kein Spitzel. Oder sehe ich etwa wie ein Gefangenenwärter aus?«
    »Aufseher, legen Sie ihm Fesseln an. Diese undisziplinierte Antwort wirst du mir teuer bezahlen, Freundchen!«
    Die beiden Kommandanten reden miteinander. Der Schiffskommandant gibt einem Offizier, der heraufkommt, einen Befehl. Wenige Augenblicke später kommt ein bretonischer Seemann, ein wahrer Koloß von einem Matrosen, mit einem Holzbottich voll Meerwasser und einer faustdicken Schnur. Der Italiener wird kniend auf der untersten Stufe der Treppe angebunden. Dann taucht der Matrose die Schnur in den Bottich und schlägt langsam und mit aller Kraft dem armen Kerl auf Rücken, Hintern und Hüften. Kein Schrei kommt über die Lippen des Bestraften. Das Blut läuft ihm hinten und an den Seiten herunter.
    Da erhebt sich mitten in der Grabesstille unseres Käfigs ein Protestschrei: »Schweinebande!« Ein Ausruf, der auf allen Seiten sofort Beschimpfungen auslöst: »Mörder! Saukerle! Verrottete!« Man droht, auf uns zu schießen, wenn wir nicht sofort still sind, doch das Gebrüll verstärkt sich nur noch.
    »Dampfventile auf!« ertönt plötzlich ein Kommando.
    Die Matrosen drehen auf, und zischender Dampf ergießt sich mit solcher Gewalt über uns, daß sich alle im Nu zu Boden werfen. Die Strahlen dringen in Brusthöhe auf uns ein, kollektive Angst bemächtigt sich unser, die Verbrühten wagen nicht, einen Laut von sich zu geben. Das Ganze dauert kaum eine halbe Minute, aber es macht uns total mürbe.
    »Ich hoffe, ihr habt verstanden, ihr Dickköpfe! Beim geringsten Anlaß lasse ich euch nochmals unter Dampf setzen, kapiert? Aufstehen!«
    Nur drei von uns sind ernstlich verbrüht, sie werden in die Krankenkajüte abgeführt. Den Ausgepeitschten läßt man bei uns. Sechs Jahre später ist er bei einem gemeinsam mit mir unternommenen Fluchtversuch umgekommen.
    Während dieser achtzehn Tage haben wir reichlich Zeit, uns über das Bagno zu informieren. Aber nichts wird so sein, wie man es sich vorstellt, obwohl Julot sich redlich Mühe gibt, uns alles genau zu schildern. Wir wissen zum Beispiel, daß Saint-Laurent-du-Maroni ein Dorf ist, das an einem Fluß namens Maroni hundertzwanzig Kilometer vom Meer entfernt liegt. »In diesem Dorf ist die Strafanstalt«, erläutert Julot, »das Zentrum des Bagnos. Dort geht’s an die Verteilung. Die ›Relegierten‹ kommen hundertfünfzig Kilometer weit weg in eine Strafanstalt, Saint-Jean. Die Bagnosträflinge werden in drei Gruppen eingeteilt: in die besonders Gefährlichen, in die Gefährlichen zweiten Grades und in die Normalen. Die besonders Gefährlichen kommen

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