Papillon
ich beherrsche mich und sage so natürlich wie möglich:
»Nein, Quiek, wenn ich hier bin, so deshalb, weil ich mich bei einem Freund in Sicherheit weiß. Morgen mußt du die Menschenjäger zur Gänze verbrennen, denn wer weiß, was geschieht, wenn wir von hier fort sein werden. Ich habe keine Lust, daß man mich, selbst in Abwesenheit, dreier Morde beschuldigt.«
»Ja, ich werde sie noch morgen ganz verbrennen, aber sei ruhig, niemals wird jemand seinen Fuß auf diese Insel setzen, es ist unmöglich, den Sumpf zu passieren, ohne zu versinken.«
»Und mit einem Gummiboot?«
»Daran habe ich nicht gedacht.«
»Wenn jemand die Gendarmen hierherführt und die sich in den Kopf setzen, bis zur Insel zu kommen, glaub mir, daß sie es mit einem Floß versuchen werden. Und es wird ihnen gelingen. Darum müssen wir so schnell wie möglich weg von hier.«
»Einverstanden. Morgen fache ich das Feuer in den Meilern wieder an, es brennt noch. Ich muß nur einen zweiten Rauchabzug machen.«
»Dann also gute Nacht, Quiek.«
»Gute Nacht, Papillon. Und ich wiederhole: du kannst ruhig und gut schlafen, du kannst mir vertrauen.«
Bis zum Kinn herauf zugedeckt, genieße ich die Wärme meines Lagers. Ich rauche mir eine Zigarette an.
Zehn Minuten später schnarcht Quiek-Quiek. Das Schwein neben ihm schnauft behaglich. Das Feuer hat keine Flamme mehr, aber das große Holzscheit glüht auf, wenn ein Lufthauch in die Hütte weht, und das alles zusammen ergibt ein Gefühl von Ruhe und Zufriedenheit.
Ich überlasse mich diesem Wohlbehagen und schlafe mit einem Hintergedanken ein: Entweder wache ich morgen früh auf, und alles zwischen mir und Quiek -Quiek ist beim alten, oder aber der Chineser ist ein Komödiant und versteht es noch besser als Sascha Guitry, seine wahren Absichten zu verbergen und Geschichten zu erzählen. Und dann sehe ich eben die Sonne nicht mehr, denn ich weiß zuviel über ihn, und das könnte ihn stören.
Mit einem Kaffeenapf in der Hand weckt mich der Spezialist in serienweisen Morden, als wenn nichts geschehen wäre, und wünscht mir mit einem prachtvollen freundlichen Lächeln einen guten Morgen. Die Sonne ist aufgegangen.
»Da, trink Kaffee und nimm einen Fladen, er ist schon mit Margarine bestrichen.«
Nachdem ich gegessen und getrunken habe, wasche ich mich draußen an einer Tonne, die immer voll Wasser ist.
»Willst du mir helfen, Papillon?«
»Ja«, sage ich, ohne zu fragen, wobei. Wir ziehen die halbverbrannten Leichen an den Füßen heraus. Ich verliere kein Wort darüber, als ich sehe, daß die drei einen geöffneten Bauch haben: das sympathische Schlitzauge muß in ihren Gedärmen nachgeforscht haben, ob sie nicht einen Stöpsel bei sich hatten. Waren es wirklich Menschenjäger? Warum nicht vielleicht Schmetterlings – oder Vogeljäger? Hat er sie getötet, um sich zu verteidigen oder um sie zu berauben? Genug davon. Denken wir nicht weiter dran. Sie werden in eine Grube des Meilers hineingelegt und gut mit Holz und Tonerde bedeckt. Zwei Rauchabzüge sind offen, und der Meiler beginnt seine Funktion zu erfüllen: er wird Holzkohle herstellen und drei Gekillte in Asche verwandeln.
»Gehen wir, Papillon.«
Das Schweinchen findet nach kurzer Zeit den Übergang. Im Gänsemarsch gehen wir hinter ihm drein und überqueren den Sumpf. Ich habe unbeschreiblich angstvolle Momente erlebt, während wir da über den Sumpf gingen. Das Einsinken von Sylvain ist ein so nachhaltiger Schrecken für mich, daß ich mich nicht mehr davon lösen kann und auch jetzt noch kaum zu atmen wage, wenn ich in die gleiche Gefahr komme.
Mit Schweißperlen auf der Stirn halte ich mich knapp hinter Quiek -Quiek. Bei jedem Schritt trete ich unmittelbar in seine Fußstapfen. Wenn
er
hinüberkommt, muß auch
ich
hinüberkommen.
Mehr als zwei Stunden Marsch durch den Busch führen uns an die Stelle, wo Chocolat Holz schlägt. Wir sind niemandem begegnet und haben uns kein einziges Mal verstecken müssen.
»Guten Tag, Muscheh.«
»Guten Tag, Quiek-Quiek.«
»Wie geht’s?«
»Oh, es geht.«
»Zeig meinem Freund das Boot.«
Es ist ein sehr festes Boot, eine Art Lastkahn. Es ist recht schwer, aber dafür stabil. Ich steche mit dem Messer an verschiedenen Stellen hinein, nirgends dringt es tiefer als einen halben Zentimeter. Auch der Boden ist intakt. Das Holz, das man für diesen Bootsbau verwendete, war erste Sorte.
»Wieviel wollen Sie dafür haben?«
»Zweitausendfünfhundert Franc.«
»Ich gebe Ihnen
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