Papillon
Vor dem Kriegsgericht, wo ich deswegen angeklagt war, hat er mich heftig verteidigt und gesagt, daß er zuerst über mich hergefallen wäre und ich nur in Notwehr gehandelt hätte. Den Vertrag habe ich freiwillig geschlossen, und ich muß ihn korrekt einhalten. Die Sache war nur die, daß ich nicht gewagt habe, es dir zu sagen, weil du ja die ganze Flucht bezahlst.«
»Gut, Quiek-Quiek, reden wir nicht mehr davon. Bist du einmal in Freiheit, so Gott will, dann tu, was du für richtig hältst.«
»Ich werde mein Wort halten.«
»Was willst du eigentlich tun, wenn du eines Tages frei bist?«
»Ein Restaurant aufmachen. Ich bin ein sehr guter Koch, und er, Van Hue, ist Spezialist für ›Tschou Me-in‹, das ist so eine Art chinesische Spaghetti.«
Dieser Zwischenfall hat mich in gute Laune versetzt. Die Geschichte ist so komisch, daß ich nicht anders konnte, als Quiek-Quiek damit aufzuziehen.
Chocolat hat sein Wort gehalten: fünf Tage später ist alles bereit. Bei strömendem Regen haben wir uns das Boot angesehen. Nichts auszusetzen. Mast, Steuer, Kiel, alles aus erstklassigem Holz, tadellos eingepaßt.
In einer Art Seitenarm des Flusses erwartet uns das Boot mit Trinkwasser und Lebensmitteln. Es muß nur noch der Einarmige verständigt werden. Chocolat übernimmt es, ins Lager zu gehen und mit ihm zu sprechen. Um uns die Gefahr zu ersparen, die das Anlegen am Ufer mit sich bringt, wird er ihn direkt an Bord bringen.
Die Mündung des Flusses Kourou ist mit zwei Leuchtfeuern kenntlich gemacht. Wenn es regnet, kann man ohne Risiko in der Flußmitte fahren, natürlich ohne Segel zu setzen, damit man nicht gesehen wird. Chocolat hat uns schwarze Farbe und einen Pinsel gegeben, wir werden auf das Segel ein großes K und die Nummer 21 malen. Dieses K 21 ist das Kennzeichen eines Fischerbootes, das manchmal während der Nacht zum Fischfang ausläuft. Im Falle, daß man uns beim Auslaufen ins Meer das Segel setzen sieht, wird man uns für das andere Boot halten. Morgen abend um neunzehn Uhr, eine Stunde nach Einbruch der Nacht, steigt die Sache. Quiek -Quiek versichert, daß er den Weg wiederfinden und mich geradewegs zum Boot hinführen wird. Wir werden die Insel um fünf Uhr verlassen, um noch eine Stunde lang das Tageslicht ausnützen zu können.
Die Rückkehr zur Hütte geht in fröhlicher Stimmung vor sich. Quiek-Quiek trägt das Schweinchen auf der Schulter, und während ich hinter ihm hergehe, spricht er unaufhörlich, ohne sich umzuwenden:
»Endlich werde ich das Bagno verlassen. Dir und meinem Bruder Tschang verdanke ich es, daß ich frei sein werde. Vielleicht kann ich eines Tages, wenn die Franzosen aus Indochina weg sind, in meine Heimat zurückkehren.«
Kurz, er setzt Vertrauen in mich, und daß ich das Boot für gut befunden habe, macht ihn fröhlich wie ein Vögelchen. Ich schlafe meine letzte Nacht auf der Insel, und hoffentlich ist es auch die letzte Nacht auf dem Boden Guayanas.
Wenn ich aus dem Fluß auslaufe und das offene Meer gewinne, dann ist die Freiheit da, bestimmt. Die einzige Gefahr ist nun, daß wir kentern, sonst nichts. Denn seit dem Krieg liefert kein Land mehr Flüchtlinge aus. Wenigstens in dieser Hinsicht hat der Krieg für uns sein Gutes. Wenn’s schiefgeht, wird man uns zum Tod verurteilen, richtig. Aber man muß uns erst einmal haben! Ich denke an Sylvain: er wäre jetzt bei mir, an meiner Seite, wenn er nicht so ungeheuer unvorsichtig und voreilig gewesen wäre. Vor dem Einschlafen textiere ich noch ein Telegramm: »Herrn Staatsanwalt Pradel… Endlich und unwiderruflich habe ich den Weg zur Hölle verlassen, auf den Sie mich geschickt haben. Ich habe gesiegt. Neun Jahre habe ich dazu gebraucht. Papillon.«
Die Sonne steht schon recht hoch, als Quiek-Quiek mich weckt. Tee und Fladen. Überall stehen Konservendosen herum. Ich bemerke zwei Vogelkäfige.
»Was willst du mit diesen Käfigen?«
»Da werde ich Hühner hineinstecken, damit wir sie unterwegs aufessen können.«
»Bist du verrückt, Quiek-Quiek? Wir nehmen keine Hühner mit!«
»Doch, ich will sie mitnehmen.«
»Du Narr! Wenn wir morgen wegen der Ebbe vielleicht erst am Morgen auslaufen, und die Hühner und Hähne beginnen auf dem Fluß zu gackern und zu krähen, weißt du, wie gefährlich das sein kann?«
»Ich mag aber die Hühner nicht hier lassen.«
»Koch sie und gib sie in Fett und Öl, dann halten sie sich, und wir werden sie in den ersten Tagen aufessen.«
Endlich überzeuge ich ihn, und er geht
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