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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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eines Tages bei grober See das Steuerruder im Stich gelassen und sich ins Meer gestürzt. Dann haben wir getan, was wir konnten. Ein paarmal wären wir um ein Haar abgesoffen, dann sind wir auf einem Felsen aufgefahren. Wie durch ein Wunder ist nichts passiert. Das ist die reine Wahrheit – Ehrenwort.«
    »Ja, das stimmt«, sagen die beiden andern. »Wir waren uns alle drei einig, daß man den Kerl umlegen muß.
    Was meinst du, Papillon?«
    »Ich mag keinen Richter spielen.«
    »Aber was hättest du in dem Fall getan?« fragt der Bretone hartnäckig.
    »Das wäre zu überlegen. Um gerecht zu sein, müßte man es miterleben.«
    »Ich hätte ihn umgebracht«, meint Clousiot. »Die Lüge hätte euch allen das Leben kosten können.«
    »Schön. Reden wir nicht mehr davon. Ich jedenfalls habe den Eindruck, daß euch die Angst noch immer in den Gliedern steckt und daß ihr nur gezwungen mitgekommen seid. Stimmt’s?«
    »O ja!« antworten sie im Chor.
    »Hier aber kann ich keine Panik brauchen, was auch geschieht! Verstanden? Wenn einer Angst hat, hält er die Schnauze. Das Boot ist gut, das hat sich erwiesen. Es wird zwar jetzt schwerer belastet sein als vorher, dafür ist es um zehn Zentimeter höher gemacht worden. Das gleicht sich aus.«
    Wir rauchen und trinken Kaffee. Vor der Abfahrt haben wir gut gegessen, und wir beschließen, vor morgen früh nichts mehr zu uns zu nehmen.
    Es ist der 9. Dezember 1933. Vor zweiundvierzig Tagen hat unsere Flucht aus dem gut abgesicherten Saal des Spitals von Saint-Laurent angefangen. Es ist Clousiot, der Buchhalter und Chronist der Gesellschaft, der uns das zum Bewußtsein bringt. Ich bin im Besitz dreier für die Flucht überaus wertvoller Dinge: ich habe eine Uhr mit wasserdichtem Stahlgehäuse, gekauft in Trinidad, einen richtigen Seekompaß mit Aufhängevorrichtung und sehr präziser Windrose und eine schwarze Sonnenbrille. Clousiot und Maturette tragen jeder eine Kappe.
    Drei Tage vergehen ohne Zwischenfall. Zweimal stoßen wir auf eine Herde Delphine. Die allerdings hat uns den kalten Schweiß aus allen Poren getrieben, denn acht von den Tieren trieben ein arges Spiel mit dem Boot. Zuerst schwammen sie der Länge nach unten durch und tauchten genau vor der Spitze auf, manchmal berührten wir einen von ihnen. Aber das war noch harmlos. Brenzlig wurde die Sache erst, als drei Delphine, die in Dreiecksformation, einer vorn, zwei gleich lange dahinter, daherschwammen, mit rasender Schnelligkeit direkt auf uns zu, und in dem Moment, wo sie bei uns ankamen, tauchten sie unter und kamen rechts und links vom Boot wieder hoch. Trotz dem kräftigen Wind, unter dem wir mit vollen Segeln dahinzischten, blieben sie die Schnelleren, ließen sich nicht abschütteln. Das Spiel dauerte stundenlang, es war schwindelerregend. Der geringste Irrtum in ihrer Berechnung, und wir waren geliefert. Die drei Neuen sagten nichts, aber man muß ihre verzerrten Gesichter gesehen haben!
    Mitten in der Nacht des vierten Tages brach ein Sturm los, der auch mir Angst einflößte. Das schlimmste war, daß die Wogen nicht mehr in gleicher Richtung liefen, sondern sich gegenseitig immer wieder kreuzten.
    Manche waren hoch, manche ganz flach, unbegreiflich. Doch keiner an Bord ließ etwas verlauten. Nur Clousiot rief mir manchmal ermunternd zu: »Los, Kumpel! Du wirst sie drankriegen, die einen wie die andern!« Oder: »Paß auf die auf, die dahinter kommt!« Sonderbar, oft kamen sie tosend und schäumend von drei Seiten zugleich. Ich schätzte ihre Geschwindigkeit ab und sah mir genau an, von welcher Seite ich sie nehmen sollte, dann erst kreuzte ich sie. Aller Logik zum Hohn schoß plötzlich eine ganz steil gegen den Arsch des Bootes. Solche Wogen hatten sich öfters an meinen Schultern gebrochen, aber diesmal war die Portion zu groß, und ein guter Teil ist in das Boot gegangen. Die fünf Männer schöpften mit Töpfen und Konservenbüchsen unaufhörlich das Wasser aus. Nie war das Boot mehr als ein Viertel voll, nie kamen wir in Gefahr, abzusaufen. Dieses Geschaukel nahm mehr als die halbe Nacht in Anspruch, fast sieben Stunden. Dazu regnete und regnete es. Erst gegen acht bekamen wir die Sonne wieder zu sehen, und alle, ich inbegriffen, begrüßten sie voll Freude. Aber jetzt vor allem – Kaffee! Kochendheißen Kaffee mit Kondensmilch und Schiffszwieback, der zwar hart ist wie Eisen, aber, in den Kaffe getunkt, köstlich schmeckt. Der Kampf gegen den Sturm hat mich ausgelaugt, ich kann nicht mehr, und da

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