Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich
aufmerksam gemacht hatten.[ 10 ] Am 30. Juli wies der Kardinalsekretär der Römischen Inquisition, Merry del Val, Pacelli an, präzise Informationen über die Hochkirchlich-Ökumenische Bewegung zu sammeln und das Heilige Offizium über ihre Umtriebe und vor allem über die an der Sache beteiligten katholischen Priester ins Bild zu setzen. Ferner sollte sich der Nuntius an die deutschen Bischöfe wenden und ihnen das brisante Thema ans Herz legen.[ 11 ]
In einem Rundschreiben an die deutschen Bischöfe vom 10. September 1926 kam Pacelli diesem Teil seines Auftrags nach. Die Oberhirten sollten, wie er schrieb, «die Gläubigen, vor allem die Geistlichen, aufklären und deren Mitarbeit an der Bewegung verhindern». Der Nuntius erwies sich dabei als entschiedener Verfechter der reinen katholischen Lehre. Besonders erbost war er darüber, daß dieUna-Sancta-Bewegung die eindeutige dogmatische Wahrheit entschieden bekämpfte, nach der «die römisch-katholische Kirche die einzig wahre, von Christus gestiftete Kirche ist», und stattdessen die wahre Kirche «in einer höheren, die katholische Kirche wie die sogenannten christlichen Konfessionen überragenden und verbessernden ‹ökumenischen Kirche›» suche.[ 12 ] Damit sprach der Nuntius ganz im Sinne der vom Heiligen Offizium vertretenen römisch-katholischen Lehre nicht nur den nichtkatholischen christlichen Gemeinschaften das Kirchesein ab, sondern setzte die Kirche Jesu Christi schlicht mit der römischen-katholischen Kirche gleich.
Die Umsetzung des ersten Teils seines Auftrags nahm wesentlich mehr Zeit in Anspruch, fiel deshalb aber auch um so umfangreicher aus. Am 15. November 1926 übersandte Pacelli schließlich einen siebenundvierzig Seiten umfassenden Bericht an Kardinal Merry del Val, in dem er seine Recherchen über die Ökumenische Bewegung in Deutschland zusammenfaßte und erste Beurteilungen vornahm.[ 13 ] Dieser wurde für die Kardinäle des Heiligen Offiziums im Geheimdruck vervielfältigt und sollte deren weiteren Beratungen zugrunde liegen.[ 14 ] Der Bericht Pacellis beginnt mit einem kurzen Rückblick auf die Entwicklung der Ökumenischen Bewegung in Deutschland seit dem Ende des Ersten Weltkriegs. 1918 war nämlich in Berlin die sogenannte Hochkirchliche Vereinigung entstanden, von der sich wegen interner Streitigkeiten 1924 der Hochkirchlich-Ökumenische Bund abgespaltet hatte, der seit 1925 die Zeitschrift
Una Sancta
herausgab.
Pacelli spielte in seinem Bericht zunächst die Bedeutung dieser Ökumenischen Bewegung herunter, indem er die äußerst geringe Zahl ihrer Mitglieder betonte: etwa hundert Protestanten und fünfzehn Katholiken! Das klingt zugleich wie eine Entschuldigung des Nuntius dafür, daß er aus eigenem Antrieb über dieses Thema bislang nichts nach Rom berichtet hatte. Überraschenderweise kam Pacelli aber nicht umhin, dem Hochkirchlich-Ökumenischen Bund auch positive Seiten abzugewinnen. Vor allem die Anerkennung des kirchlichen Amtes, das, von Jesus Christus eingesetzt, durch die ununterbrochene Sukzession der Bischöfe weitergegeben wird, hob der Nuntius ausdrücklich hervor. Dieses katholische Amtsverständnis, an dem die Gültigkeit der Feier des Abendmahls hängt, wurde und wird auch heute noch von protestantischen Kirchen entschieden bestritten undstellt damit das Hauptproblem einer ökumenischen Einigung dar. Zudem hatte der Hochkirchlich-Ökumenische Bund ein Herzensprojekt des Nuntius, den Abschluß des bayerischen Konkordats von 1924, in dem die römischen Vorgaben des
Codex Iuris Canonici
geradezu idealtypisch in deutsches Staatskirchenrecht umgegossen worden waren, ausdrücklich gewürdigt.
Trotz dieser positiven Aspekte fiel Pacellis Gesamturteil eindeutig negativ aus. Die Ökumenische Bewegung in Deutschland strebe nämlich die Gründung einer neuen Kirche nach dem Grundsatz «evangelischer Katholizität» an, die an die Stelle der römisch-katholischen Kirche treten solle. Auch die Absicht der Hochkirchler, ausschließlich die Heilige Schrift und die Kirchenverfassung der ersten Jahrhunderte vor der Konstantinischen Wende als Norm für die Una Sancta anerkennen zu wollen, lehnte der Berliner Nuntius mit Nachdruck ab. Denn damit wären alle mittelalterlichen und neuzeitlichen Entwicklungen obsolet geworden, die das Profil des römischen Katholizismus ausmachten, wie etwa das unfehlbare Papsttum mit seinem universalen Jurisdiktionsprimat, der römische Zentralismus, die Kontrolle der Ortskirche durch die
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