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Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Titel: Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Wolf
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Belege vorlegen. Zur Probe aufs Exempel sollte der Fall Adolf Hitler werden.
Hitlers «Mein Kampf» im Visier der römischen Glaubenswächter
    Bischof Hudal wollte sich mit Bergmann und Rosenberg allein auf dem
Index der verbotenen Bücher
keinesfalls zufriedengeben. Er strebte vielmehr weiterhin einen lehramtlichen Rundumschlag gegen den ideologischen Flügel des Nationalsozialismus an, der das Christentum durch eine arische Religion ersetzen wollte. Gleichzeitig sollte dadurch die aus seiner Sicht konservativ-nationalistische Gruppe der NSDAP um Hitler und Rudolf Heß gestärkt werden. «Es muß vermieden werden, Hitler selbst, den NS, oder Deutschland, sei es publizistisch, in Reden oder Ansprachen anzugreifen!!!» heißt es über diese Strategie in einem Papier aus dem Nachlaß Hudals mit dem Titel «Einige Informationspunkte für den Vatikan! ‹Auf die Taktik kommt es an›».[ 42 ] Es sei darum besser, die «für die heidnische beziehungsweise antireligiöse Entwicklung in Deutschland Verantwortlichen
einzeln
anzugreifen!!» Exemplarisch genannt wurden Joseph Goebbels, Rosenberg und Baldur von Schirach.
    Dieses Ziel ließ sich für Hudal eindeutig nicht über den Kardinalstaatssekretär, sondern nur über den Papst selbst erreichen. Im Oktober 1934 nutzte der Rektor der Anima daher die Gelegenheit einer Privataudienz bei Pius XI., um ihm ein Gesuch zu unterbreiten, in dem er die feierliche Verurteilung dreier fundamentaler Zeitirrtümer in der Form einer Enzyklika oder eines neuen Syllabus vorschlug: «1. Der totalitäre Staatsbegriff, der den Persönlichkeitswert des einzelnen Menschen unterdrückt, 2. der radikale Rassenbegriff, der die Einheitdes Menschengeschlechts auflöst, 3. der radikale Nationalismus mit der Preisgabe des Naturrechts infolge der ausschließlichen Geltung des positiven von Nation und Staat dekretierten Rechtes.» Pius XI. war offenbar stark beeindruckt und auch bereit, diese Fragen durch das Heilige Offizium prüfen zu lassen. Hudal bemerkte dazu rückblickend: «Vielleicht wäre manches dem deutschen Volk und Österreich erspart geblieben, wenn 1934 rechtzeitig der Bannstrahl gegen diese Irrtümer geschleudert worden wäre, die so viel Unglück über Europa bringen sollten.» Glaubt man Hudal, so hat das Heilige Offizium umgehend eine Kommission eingesetzt, «um die im Syllabus zu verurteilenden Thesen der Rassenlehre, des radikalen Nationalismus und der Staatsautorität herauszuarbeiten».[ 43 ]
    Allerdings ist ein solcher Syllabus der Römischen Inquisition nie erschienen. Dies könnte bedeuten, daß Hudal seine in den
Römischen Tagebüchern
geschilderte Initiative bei Papst und Heiligem Offizium schlicht erfunden hat, um sich ex post als strammer Kämpfer gegen den Nationalsozialismus zu stilisieren. Anlaß dazu hätte er gehabt: Hudal mußte sich nach dem Krieg heftiger Angriffe erwehren. Man sah in ihm einen Sympathisanten der NS-Ideologie, der nach 1945 im Zusammenhang mit der sogenannten «Rattenlinie» NS-Größen mithilfe vatikanischer Pässe zur Flucht nach Lateinamerika verholfen haben soll. Die im Archiv der Glaubenskongregation gefundenen Quellen stützen Hudals Aussagen allerdings eindeutig. Der Fondo «Rerum Variarum» mit der Signatur «1934 N o 29», der aus vier Faszikeln und zwanzig Einzeldokumenten besteht, trägt die bezeichnende Überschrift «Deutschland – Ob Rassismus, Naturalismus, Totalitarismus, Kommunismus durch einen feierlichen päpstlichen Akt verurteilt werden sollen oder nicht?» Schon die Ortsangabe läßt vermuten, daß die Hauptzielrichtung (zumindest ursprünglich) Deutschland – sprich der Nationalsozialismus – war, obwohl es in der Akte daneben auch um Faschismus und Kommunismus ging.
    Nach seiner Papstaudienz richtete Hudal am 7. Oktober 1934 ein Schreiben an den Nachfolger Merry del Vals als Kardinalsekretär des Heiligen Offiziums, Donato Sbarretti (1856–1939), in dem er mit Nachdruck auf die Gefahren der modernen Rassen- und Blutlehre in Deutschland und Österreich hinwies.[ 44 ] Geschichte, Kultur, Kunst und Religion würden vom Nationalsozialismus «nur noch unter demGesichtspunkt von Rasse und Blut betrachtet». Darin sah Hudal eine besondere Gefährdung der Jugend, die zu einer nichtchristlichen, arisch-nordischen Religiosität ohne Erbsünde und Erlösung, ohne Moral und Askese verführt würde. Die bloß diesseitige nationalsozialistische Naturreligion stehe in klarem Widerspruch zum christlichen Glauben: «So ist es also

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