Para-Traeume
diesem Moment fing Bud sich einen Hieb ein, der ihn fast die ganze Distanz zurück zum Billardtisch fliegend zurücklegen und schließlich auf dem Tisch landen ließ.
Nur -
- es stand niemand nahe genug, der den Burschen geschlagen haben konnte!
Die Billardkugeln, die unter Buds Aufprall regelrecht davonge-sprengt wurden, rollten klackend in alle Richtungen über den Bo-den, während der Junge sich hochmühte.
»Ah, verdammich, Puppe!« keifte Al. »Wie haste das gemacht? Du bist schnell, was?«
Lilith war selbst ein bißchen von der Rolle. Sie verstand nicht, was geschehen war, und schon gar nicht, wie.
»Ich ...«, setzte sie an.
Doch Al ließ ihr keine Zeit für Erklärungen. Er faßte sie hart an den Schultern - - und dann teilte er auch schon das Schicksal seines Kumpels!
Wie von einem Dampfhammer genau unters Kinn getroffen, so hob es Al aus, und dann schlug er auch schon schwer zu Boden.
Doch so schnell gab Al nicht auf, und Bud wollte ihm beistehen.
Das waren die letzten Fehlentscheidungen, die die beiden zumindest für die nächste Stunde getroffen hatten. Denn der kostenlose Flugunterricht ging jetzt erst richtig los.
Scheinbar von Hieben aus dem Nichts getroffen, wurden Al und Bud kreuz und quer durch das Lokal getrieben. Mobiliar ging zu Bruch, Gläser zersprangen klirrend am Boden, und mit jedem weiteren Schlag, den Al oder Bud einstecken mußten, verließ mindestens einer der anderen Gäste schleunigst den Laden. Keiner wußte, was hier eigentlich vorging, aber es hatte auch niemand Lust, es am eigenen Leibe zu erfahren.
Irgendwann, nach einer ganzen Weile, war es Al, der als erster nicht mehr aufstand. Und Bud zeigte sich nach dem nächsten Treffer solidarisch mit seinem Kumpel und verzichtete ebenfalls darauf, noch einmal auf die Beine zu kommen.
Lilith saß auf dem Barhocker wie vom Donner gerührt, reg- und sprachlos, unfähig, auch nur einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Doch wozu auch? Mit Vernunft konnte das hier nichts zu tun haben .
Sie sah es nicht, aber irgendwie bekam sie doch mit, daß hinter ihr am Tresen Bewegung entstand. Der Wirt tauchte offenbar aus der Versenkung auf, und vermutlich würde er gleich den Sheriff alarmieren. Dann jedenfalls, wenn seine zitternden Hände sich soweit beruhigt hatte, daß er die Tasten des Telefons halbwegs traf .
Lilith verschwendete nur einen halben Gedanken daran. Denn etwas anderes lenkte sie ab.
Wenn sie gedacht hatte, daß alle Gäste des Dell's das Weite gesucht hatten, sah sie sich getäuscht.
Aus dem Hintergrund des Ladens, wo sie bis eben außer Dunkelheit nichts vermutet hätte, wurden Schritte laut. Langsam kamen sie näher, doch erst als sie neben ihr verstummten, wandte Lilith den Blick.
Sie sah einen hochgewachsenen jungen Mann, dessen Züge ihr eindeutig südeuropäisch vorkamen. Dunkles, leicht gewelltes Haar reichte ihm bis über die Schultern. Von seiner Statur war unter dem schwarzen Staubmantel, der ihn ein bißchen in die Richtung einsamer Held< rückte, kaum etwas zu erkennen; nur soviel, daß sie sportlich, aber nicht übermäßig muskulös sein mußte.
Er schenkte Lilith ein kleines Lächeln, das mit einem Blick aus seinen glutvollen Augen etwas in ihr entfachte, das keiner Worte bedurft hätte.
Und als er sprach, leise und fast melodiös, wurde das Etwas in ihr noch eine Nuance hitziger.
»Der Knabe hatte nicht ganz unrecht«, klang seine Stimme auf. »Eine Lady wie Sie sollte nicht allein sein. Zumindest nicht an einem Ort wie diesem.«
»Dann sollten wir den Ort vielleicht wechseln«, schlug Lilith vor.
»Keine schlechte Idee«, erwiderte er. »Verzeihen Sie, ich vergaß mich vorzustellen. Mein Name ist Raphael Baldacci. Raphael für Sie.«
»Lilith Eden«, sagte sie. »Für Sie natürlich Lilith.«
»Angenehm.«
Sein Tonfall ließ offen, was er damit genau meinte.
Er lächelte, nahm sie bei der Hand und entführte sie in die Nacht.
*
»Ich fürchte, man wird dich morgen aus dieser Pension werfen.«
Liliths Kinn ruhte auf Raphaels nackter Brust, während sie sprach, und ihre Finger zeichneten sanft die weichen Linien seines Gesichtes nach.
»Ich hoffe, daß ich dieses Zimmer morgen Nacht nicht mehr brauchen werde«, erwiderte er. Und mit einem leicht verwegenen Lächeln fügte er hinzu: »Also können wir den Rauswurf ruhig noch einmal riskieren.«
Er mochte rein vom Äußeren her zwar nicht ganz dem Klischeebild des Latin Lovers entsprechen, dazu waren seine Züge ein klein wenig zu schön
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