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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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hiermit zu bestätigen“, erklärte Herr Wanzenried.
    Vincent sah das Untersuchungsgremium während eines langen Augenblickes eingehend an, nickte dann und verliess mit einem „Abend“ über die Schulter das Büro.
    Herr Wanzenried liess sich in seinen Sessel fallen und stützte den Kopf in die Hand. Sie besprachen sich und schliesslich griff er zum Stempel, um seine Erklärung rechtsmässig zu machen, doch während er schon ausholte, zögerte er. Im Schwung hielt er inne und blickte auf den Bericht. Dann schüttelte er den Kopf und legte das Papier mit einem kurzen Vermerk auf den Stapel ‚unerledigt‘. So einfach war die Sache dann doch nicht.
     
     
    Da Herr Marcial sich aus den meisten Details bedachtsam heraushielt, sah er vor, seine Nachforschungen über einen Mittelsmann durchzuführen. Marcial aktivierte seine Kontakte zur Verwaltung und zur Polizei und fand durch diese heraus, Herr Thal hätte beim Internationalen Roten Ring in Asunción gearbeitet, vordem er Paraguay verlassen hatte. Marcial erfuhr so, dass Vincent Thal den Behörden bereits unangenehm aufgefallen war, als er sich in die unvermeidlichen Strassenkämpfe der Slums einmischte. Herr Marcial fühlte etwas, vergleichbar mit Freude oder einer Art zielgerichteter Erregung, als ihm sein Kontakt mitteilte, es gebe wohl eine Akte über den Schweizer.
    „Geben Sie mir die“, sagte Marcial und legte den Hörer auf.
    Wenige Tage später wartete Herr Marcial auf seinem Hotelzimmer in Asunción. Er hatte sich in den letzten Jahren aus der Stadt zurückgezogen. Da er inzwischen einen zu hohen Bekanntheitsgrad erlangt hatte, mied er diese Stadt: er reiste nicht gern mit zu viel Begleitung, sondern hielt sich lieber im Hintergrund.
    Rodrigo Marcial entstammte den Slums von Asunción. Er war in La Chacarita aufgewachsen.
    Bald hatte er gelernt, dass man mehr besass, wenn man stärker war als die Anderen und klüger war als die Stärksten. Er hatte gelernt, wie man andere für sich prügeln liess und wie man Macht über andere aufbaute. Er hatte erkannt, dass es neben der Gewalt als Mittel zur Macht auch die unsichtbare Gewalt der Angst gab. Beide liess er für sich arbeiten. Er hatte sich das Urteil gebildet, dass sich alle Menschen beherrschen liessen, dass es sich aber lohnte, auf gewisse Leute zu hören, die man beherrschte. Bei den Dummen lohnte sich das allemal nicht, aber bei besonderen Frauen galt es, die Ohren offen zu halten. Sie hatten einen besonderen Zugang zu den angstgewohnten Gemütern der Bewohner von La Chacarita und waren ein unabdingbarer Schlüssel zu seiner immer grösser werdenden Macht.
    Als Marcial mit siebzehn Jahren wegen eines Mordes verhaftet wurde und eine Gefängnisstrafe von fast drei Jahren verbüsste, hatte er sich bereits seinen Habitus zugelegt: Er wurde nicht als Frischfleisch im Gefängnis gehandelt. Es umgab ihn das Gerücht, er habe
    habe den Mann, der versucht hatte, ihn zu vergewaltigen, vernichtet. Nirgends war die Leiche zu finden, dieser war einfach verschwunden. Doch Marcial sollte, so hiess es, die Haut von dessen Gesicht behalten und in Salz getrocknet haben.
    In der Haft machte er sich Verbündete und Untergebene. Bei seiner Freilassung war er dem Slum entwachsen, der ihn bettelarm hervorgebracht hatte und den er wie ein König zu beherrschen suchte.
    Was Marcial erreicht hatte, war ihm gelungen, weil er sich im Hintergrund zu halten wusste. Er setzte seine Auftritte sparsam ein und repräsentierte seinen Einfluss nicht.
    Im aktuellen Fall aber hatte er sich zu einem Besuch in Asunción entschlossen und hatte nachts unter anderem Namen in einem grossen Hotel eingecheckt. Er wollte Consuelo um jeden Preis wiederfinden.
    Am nächsten Tag zur vereinbarten Stunde klopfte es leise an der Türe und Marcial schickte mit einem Wink einen seiner Leibwächter zu öffnen.
    Vor der Türe stand eine korpulente Dame mittlerer Jahre mit wasserstoffgebleichtem Schopf. Sie war gemessen an Marcials Ansprüchen überaus hässlich. Nicht nur ihre schlampige und durchweg zu enge Kleidung boten einen abstossenden Anblick, auch die dunkle Haut des Gesichts wies kraterartige Vertiefungen auf und zwischen den unsauber gezupften Brauen sprossen dicke schwarze Haare. Marcial zog es vor, sitzen zu bleiben, auf alle Höflichkeit verzichtend.
    „Guten Tag“, sagte die Dame und blinzelte in den schlecht erleuchteten Raum. „Mein Name ist Lopez, mein Vorgesetzter sendet mich zu Ihnen.“
    „Sie haben besondere Unterlagen für

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