Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
bisschen, aber sie sind zu klein. Eigentlich müssten sie in die Schule, aber wie sollen wir ihnen die Uniform und die Bücher kaufen?“
„Hm“, sagte Vincent nur, denn die Situation entmutigte ihn immer mehr. „Wollt ihr alle vielleicht bei mir zum Essen kommen? Ich habe eine kleine Wohnung in San Jorge gemietet und ich würde mich freuen, mit euch zu essen.“
Ignacio nahm die Einladung gerne an, doch seine Schwester lehnte ab. So kehrte Vincent mit seinem Freund allein nach der kleinen Wohnung zurück.
Consuelo sass zusammengekauert in dem kleinen Apartment. Die Einrichtung war spärlich, denn die meisten Möbel waren improvisiert. Karton und Plastik prägten durchgehend den Einrichtungsstil. Gemütlichkeit konnte angesichts der Schachteln und Kisten, die als Tische fungierten und der verschiedenen aufblasbaren Sitz- und Liege-Gelegenheiten nicht aufkommen. Das Mädchen hatte den Platz auf einer Luftmatratze eingenommen und blickte auf, als beide eintraten.
„Consuelo, erinnerst du dich an Ignacio? Wir waren in seiner Taverne, als du damals in Asunción warst“, erklärte Vincent. Die Anspielung rief viele schlechte Erinnerungen wach und er sprach nicht weiter.
Die beiden begrüssten sich und Vincent schlug vor zu kochen. Wie gewöhnlich bereitete er Hackeintopf mit Bohnen und Maisbrot zu, während die beiden schweigsam auf ihren Kisten hockten.
„Was machst du denn?“ erkundigte sich Ignacio.
„Soo Yosopyi“, erklärte Vincent.
„Soll ich dir vielleicht helfen?“ Ignacio runzelte die Stirn ob der Wahl der Zutaten und der Zubereitungsweise. Das Geric ht wurde nach seiner Sicht ganz anders zubereitet.
„Kannst du besser kochen als ich?“ fragte Vincent zurück und rieb sich beim Zwiebelschneiden die Nase.
„Wahrscheinlich nicht, meine Schwester hat das gewöhnlich gemacht“, gab Ignacio zu.
Stattdessen bot Vincent ihm seine Dusche an und zeigte ihm das Bad. Er legte ihm ein paar frische Kleider bereit und als er wieder in die enge Küche trat, hatte sich Consuelo der Zwiebeln angenommen. Sie blickte auf das Brettchen hinab und sagte ganz langsam: „Vincent, ich glaube, die wissen, dass ich mit dir gereist bin und so. Sie wissen wahrscheinlich auch, dass wir wieder im Land sind.“
„Woher sollen die das denn wissen?“ fragte Vincent.
„Ich bin mir nicht sicher, es ist nur so eine Ahnung“, erwiderte Consuelo.
„Ich glaube, wir sollten uns jetzt auf Fakten konzentrieren“, sagte Vincent.
Als der Soo Yosopyi aufgesetzt war, setzen sie sich nieder und Consuelo betonte nochmals ihren Verdacht. Es klang wie eine Warnung.
„Was ist denn?“ fragte Ignacio als er in die Küche trat.
Da erzählte ihm das Mädchen von Transmar und deutete auch auf die Sekte hin, welche mit der rätselhaften Transportfirma in Kontakt stand. Ignacio aber hatte noch nie von der Sekte gehört, nur an die Firma erinnerte er sich.
„Ich kann schauen, ob ich was rausfinde“, sagte er schliesslich.
Während sie assen, fragte Ignacio unvermittelt: „Hast du mit Luz geredet?“
„Nein“, erwiderte Vincent. Er hatte seit einiger Zeit nicht mehr an dieselbe gedacht.
„Sie kann doch sicher etwas über die Sekte herausfinden“, meinte Ignacio.
„Hm“, sagte Vincent wieder. Der schlechte Ruf der Polizei hielt seinen Freund offensichtlich nicht davon ab, Vertrauen zu einer Frau aus seinem Viertel zu haben. Immerhin hatte sie sich schon einmal für seine Belange engagiert. Vielleicht war der Gedanke nicht schlecht.
„Hm“, widerholte er.
Spät abends kehrte Ignacio nach La Chacarita zurück, während Vincent und Consuelo berieten, was sie als nächstes tun sollten.
Vincent hatte keinen genauen Plan aufgestellt, als er gereist war. Die Verbindung zwischen Transmar und der Gemeinde der Flammenden Herzen schien ihm höchst verworren und er konnte nicht abschätzen, ob sie in Marcial einen Spinner oder einen unseriösen Geschäftsmann zu sehen hatten. Das Gefasel über Dämonen, das er Consuelo erzählt hatte, sprach für keinen besonderen Realismus. Wer gab sich schon mit solchen Schauermärchen ab? War der Mann aber ein durchgedrehter Narzisst, der sich in der Rolle als selbstherrlicher Priester gefiel, wie konnte er dann eine international tätige Firma als Geschäftsmann überzeugen? Vincent schloss nicht aus, dass Marcial beides war, doch vorstellen konnte er sich das nicht.
Vincent schob den Gedanken, wie unklar sein Plan war, fort. Er war nur fest entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen
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