Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
als ich gesehen hätten. Hätte er nicht die Falten und die Glatze, so würde man ihn für den Bastard aus dem Schlamm halten. Aus dem Flusschlamm ist er gekommen, die Lurche und die Würmer haben ihn gezeugt. Er ist ein Bastard aus dem Flusschlamm, der nie trocken geworden ist.“
Das erzählte der Landarbeiter manchmal und er verstand nie ganz, was die alte Hexe mit den furchigen dicken Backen eigentlich gemeint hatte.
Luz hielt Wort. Sie fand heraus, dass Transmar nicht nur Agrarerzeugnisse verschickte, sondern im dringenden Verdacht stand, ebenso Rauschgifte zu transportieren.
Als sie Freitagabend zusammen in einem Cafe unweit seiner Wohnung sassen und Luz ihre Erkenntnisse erzählte, lauschte Vincent höchst gespannt ihren Ausführungen.
„Soja, Waffen, Drogen. Es gibt wohl nichts, womit sich Transmar die Finger nicht schmutzig macht“, sagte er schliesslich. Es hinterliess ein schales Gefühl in seinem Magen.
„Es scheint so. Ich habe recherchiert, wo ich wirklich nichts zu suchen habe. Ich hoffe, du weisst, dass ich Einiges für euch riskiert habe. Wenn das jemand rausfindet, bin ich fällig“, erklärte ihm Luz.
Vincent hob die Brauen: „Wo findet man solche Dinge denn heraus?“
„Naja, es gibt ja landesübergreifende Ermittlungen. Die laufen langsam, weil es gefährlich ist, sich da einzumischen. Es sind höchst vertrauliche Akten und sie liegen in einem besonderen Archiv. Aber es gibt eben auch Leute, die da Zugang haben. Das Archiv hat Schlüssel und die Leute mit dem Zugang gehen mal in die Pause oder sitzen morgens zwischen halb elf und elf auf dem Klo. Wer soll denn dann immer kontrollieren, wo der Schlüssel ist?“ sagte Luz als erzähle sie eine Gutenachtgeschichte. Vincent hob die Brauen noch höher und grinste.
„Ich sehe. Wer ist denn das, der diese Ermittlungen in Asunción bearbeitet?“ fragte er.
„Warum willst du das wissen?“fragte sie.
„Nur so.“
„Das ist Herr Almada“, sagte Luz leise und der Name prägte sich fest in Vincents Erinnerung.
Seine Gedanken schweiften über die weitgestreuten Informationen, die er gesammelt hatte und er begann Luz davon zu erzählen.
„Am wenigsten begreife ich das mit der Sekte. Verstehst du das? Er finanziert diesen seltsamen Klüngel durch irgendwelche Zuschüsse von Transmar. Ich begreife es einfach nicht. Warum unterstützt diese Firma eine Sekte? Wer tut das schon? Wollen die ihren Gewinn nicht lieber selbst behalten?“ führte er aus.
„Vielleicht hat er irgendwelche Macht über die Firma“, meinte Luz.
„Ein Priester? Seine Ansprechpersonen sind doch – wie soll ich sagen – nicht von dieser Welt.“
„Wer die Menschen etwas glauben machen kann, hat immer Macht. Dieses Land hat das mehr erfahren als manches andere. Es war einmal das erklärte Paradies der Jesuiten“, erwiderte Luz. „Die haben Klöster gebaut und die indigene Bevölkerung als arbeitsame Deppen eingespannt unter dem Vorwand, sie dem Paradies zuzuführen. Die Leute haben geschuftet und gebetet und sind von den ‚bösen‘ alten Riten befreit worden. Das ist Macht und eigentlich nichts anders als Machtmissbrauch.“
„Du denkst, das ist dasselbe wie in der Gemeinde der Flammenden Herzen?“ fragte Vincent.
„Consuelo glaubt diesen Kram doch auch, hast du gesagt“, erwiderte Luz mit einem Achselzucken.
„Das ist wahr, sie glaubt an die Dinge, die sie sieht. Aber ich kann nicht beurteilen, was sie sieht und wie das aussieht. Sie erzählt jedenfalls sehr überzeugend davon“, murmelte Vincent.
„Sie hat dich also fast überzeugt und du bist nicht in der Sekte“, sagte Luz als wäre das ein Triumpf.
„Wie meinst du?“ fragte er.
„Wenn sie dich überzeugt hat, der nicht in eine Sekte wollte, was meinst du, wie sie Leute überzeugen kann, die das Zeug glauben wollen!“ rief Luz in leiser Nachdrücklichkeit.
Vincent schob die Brauen zusammen. Das war eine neue Sicht auf die Dinge.
„Glaubst du, Consuelo will Macht über die Gemeinde ausüben?“ fragte er erstaunt. Der Gedanke war ihm unsympathisch und er erkannte dunkel, dass er Consuelo gegen seinen Willen und ohne über ihre Art des Glaubens zu verfügen, auf einen Sockel der Heiligen gestellt hatte. Sie hatte ihn überzeugt, wie Luz gesagt hatte, ja weit mehr, als diese es erahnen konnte.
„Ich weiss nicht so viel von der Kleinen, aber ich weiss, dass wenn die Jesuiten eine sogenannt visionäre Person haben auftreiben können, dann haben sie alles getan, um ihre
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