Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
anfühlte, als prickle das rauschende Blut unter ihrer Haut. Sie sah bestimmt schrecklich aus und war froh, bald daheim zu sein. Das überraschende Treffen hatte sie ausnehmend gefreut und sie war ganz aufgekratzt, denn Herr Siegmar wusste über Dinge Bescheid, welche sie für die kommerzielle Forschung dringend benötigte. Deshalb ärgerte es sie wiederholt, dass sich GreenPower nicht einen aussergewöhnlichen Kopf wie Siegmar ins Boot holte, denn so hätten sie viel mehr erreicht. Gerade weil Nuuk mehr über die Prozessschritte bei der Herstellung der verschiedenen Treibstoffvorstufen wusste als die meisten ihrer Kollegen, wusste sie auch, wie viel Kraft und Energie sie ungenutzt liessen, weil sie nicht dazu vordrangen, die Möglichkeiten ganz auszuschöpfen. Nuuk seufzte entnervt.
Es war nicht nur die optimierte Reinigung des Rohöls und die stete Verbesserung bei der Umesterung des Pflanzenöls zu Biodiesel. Parallel galt es, die Bioethanolherstellung zu optimieren, so dass sie gegenüber dem fossilen Benzin konkurrenzfähig wurde. Derzeit waren die Produktionskosten für die alternativen Treibstoffe einfach noch zu hoch, um sich auf dem Markt durchsetzen zu können. Das hatte seinen Grund nicht nur darin, dass Brasilien Europa bei der Erforschung weit voraus war, sondern ebenso über tiefere Kosten hinsichtlich der Arbeitskraft verfügte. Dadurch waren die brasilianischen Erzeugnisse der Biokraftstoffe weltweit konkurrenzfähiger. Aber GreenPower und insbesondere sie selbst arbeitete hart daran, die Herstellung zu optimieren und verschiedene Möglichkeiten zu prüfen, so dass auch die europäischen Erzeugnisse sich durchsetzen würden. Dafür waren die Subventionsgelder bitter nötig, denn nur mit einem zukunftsträchtigen Equipment konnte anständig gearbeitet werden.
Ihre Freundin und Hagen sagten von ihr, sie lebe nur für die Arbeit und sie nehme die ganze Sache viel zu ernst. Aber Nuuk wusste, anders als ihre Freundin und Hagen, welche Probleme sich die Menschheit einhandelte, wenn sie nicht auf dem Gebiet weiterforschte. Sie war bereit, sich von ihren Freunden in Frage stellen zu lassen, denn sie wusste auch, was sie für diese und alle anderen Menschen leistete. Da hob sich ihre zarte Brust in Zufriedenheit und Stolz, obgleich sie wieder einen freien Abend mit Inhalten ihres nicht eben grosszügig entlohnten Brotjobs verbracht hatte.
Die neue Lieferung aus Übersee war eingetroffen und Nuuk machte sich daran, die Waren zu prüfen. Sie zog ihren Mantel über, denn kalter Dezemberwind zog um die Ecken der Häuser. Als sie das Gebäude auf der Seite der Warenannahme verliess, stob ihr Haar wie eine Wolke um ihr Gesicht und sie sah nichts mehr. Sie fasste das seidige Blond mit beiden Händen zusammen und band einen Pferdeschwanz, dann stieg sie zu den Containern, bei denen die Fernfahrer und die Jungs aus dem Lager bereits zu einem Schwatz zusammenstanden.
Transmar Ltd. stand in grossen dunklen Lettern an der metallenen Wand und unvermittelt dachte Nuuk an das Gespräch von gestern Morgen. Von wo hatte der Herr angerufen und was hatte er gewollt? Transmar war auf den Zug der alternativen Brennstoffe aufgestiegen und hatte sich um Lieferungen von Agrarprodukten zur Weiterverarbeitung angeboten und ihre Qualität war gut genug gewesen, um von GreenPower in ihren Lieferantenstamm aufgenommen zu werden. Was sollte also dieser seltsame Anruf?
Zwei der Arbeiter öffneten den Container und Nuuk trat ohne Federlesen hinein, um die Fermente und das Rohöl zu prüfen. Sie hatten inzwischen auch angefangen, die Bohnen und den Mais ebenfalls zu importieren. Damit importierten sie zwar mehr Ballast und nahmen höhere Kosten in Kauf. Doch sie konnten vergleichen, ob das Pressverfahren in Brasilien oder hier besser war, beziehungsweise, ob sie die frische Maische noch besser nutzen konnten. Nuuk strich liebevoll über die immensen Säcke mit Sojabohnen. Diese kleinen Dinger waren so viel wert. Und dieser Wert konnte jederzeit gesteigert werden, wenn sich das Raffinerieverfahren noch verbessern liess. Ach, sie standen derart am Anfang der Forschung und so viel war noch zu tun.
Auf den ersten Blick sah die Lieferung gut aus, aber bei genauer Prüfung fiel auf, dass der Hersteller geschlampt hatte. Die Phasen des Öls waren nur unsauber getrennt, die Presskuchen wiesen noch viel zu viele ölige Rückstände auf und Nuuk ebenso wie ihre Kollegen waren verärgert. Während sich die anderen daran machten, die
Weitere Kostenlose Bücher