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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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gehen!“
    „Ich weiss nicht, ob du es dir so einfach machen solltest, Vincent, ich weiss es wirklich nicht“, murmelte Curdin und ging den Gang entlang in sein Büro.
    Vincent sah ihm kurz nach und arbeitete sich dann in die Bewilligungs- und Verbotsstruktur der paraguayischen Rechtsgebung ein, um herauszufinden, was Ignacio und seine Schwester denn benötigten und fertigte ein Schreiben zur Einholung der entsprechenden Bewilligung aus.

X
     
    In einem früheren Leben war er als Freibeuter im Dienste vieler Herren weit herumgekommen. Er hatte die Neue Welt gesehen, aus welcher die Ströme von Gold und Silber flossen, das Osmanische Reich und die Küsten des tiefverborgenen Afrikas. Gott und Vaterland galten ihm nicht, Wort und Handschlag waren ihm so sicher wie die Luft der Rede. Er war so frei, wie sein Säbel ihm den Weg bahnte, so mächtig, dass die westindischen Gebieter ihn ebenso wie die schwarzen Stammesfürsten fürchteten und so reich, dass die katholischen und die christlichen Könige ihn einluden.
    Dem Freibeuter galt das Gold und die Planken waren sein Heim und Herd. Er war so gerecht wie er heillos strafte und er war so gierig wie er freigiebig sein mochte. Er handelte mit den armen Sklaven, die er an den Märkten von buntgeschmückten Fürsten kaufte, verkettet aus den verborgenen Tiefen des Schwarzen Kontinentes herausgelockt. Er raubte und entführte aus den dichten Wäldern die scheuen Rothäute und verkaufte sie den Herzogen. Er verlud sie ohn‘ jeden Anteil in sein bauchiges Schiff, ihres Hungers und ihres Heimwehs nicht achtend.
    Er war frei und seine Beute gehörte nur ihm.
    Doch die Flüche der Verschleppten, der Beraubten und der Ermordeten häuften sich auf ihn. Spürte seine Seele doch nicht ihr Gewicht, sie folgten ihm in den Tod, als ihn über die Reling des Buges die Kanonenkugel traf.
     
    Vincent hatte sich aufgrund der Hitze die Haare kürzer geschnitten, sie deckten kaum mehr die Haut seines Schädels und in den ersten Wochen bekam er manchmal Sonnenbrände. Blickte er aber auf seine von der Sonne geschwärzten Hände und seine immer abgetragenere Kleidung, so begrub er mit einem Gefühl sicherer Befriedigung die Resten seiner duftenden Eitelkeit.
    Damit einhergehend war Vincent viel unterwegs, reiste durch die Ebenen Paraguays, um besser zu verstehen, was hier vor sich ging. Er fuhr über Meilen durch eine immer gleiche Wüste von Sojaanbau: eine Leere, in der die Hoffnung zur Behebung der klimatischen Probleme gedeihen sollte und zu deren Schaffung der paraguayische Wald hatte weichen müssen.
    Der Irrsinn des Projektes musste jeden ins Auge stechen, aber die Erste Welt, die es sich leisten konnte, über eine unermessliche Menge von Steuergeldern die Bedingungen aller anderen Erdbewohner zu beeinflussen, sah ihr Heil darin, den Teufel aus Südamerika mit dem Belzebub auszutreiben. Gewiss war es unmoralisch, unendliche Flächen Waldes zu roden, um Kokapflanzen und Cannabis zu bauen.
    Worin aber lag der moralische Gewinn, stattdessen Soja zu züchten? Waren nicht beides nur Pflanzen, die einmal dem Geist der Konsumenten neue Dimensionen öffnete, zum anderen ihr Gewissen in den Schlaf der Gerechten wiegte?
    Vincent hatte den Geländewagen abgestellt und sass am Rande des Sojafeldes, die unendliche Ebene vor ihm, so weit das Auge reichte nichts als die dichten, wuchernden Sojasträucher, deren Brodem seine Nase kitzelten. Er lehnte sich zurück, legte die Hände in den Nacken und blickte nach dem Horizont, während er behutsam eine Zigarre rauchte, so dass kleine Wölkchen durch sein Sichtfeld zogen. Von Westen bis Osten nichts als Grün und vor ihm der Weg von rotem Staub. Diese ergiebige tiefrote Erde, mit der das ärmste Land Südamerikas gesegnet war, war gleichzeitig sein Fluch: Zahlungskräftige auswärtige Firmen erhoben nun, vor den verdrängten Einheimischen, Anspruch auf die Bebauung des Landes.
    Die Vorgänge umspannten den Planeten und ihre Komplexität liess sich nicht durchschauen und noch schlechter einordnen. Während Vincent nachdachte, rotteten sich die verstreuten Wolken zusammen und in bleiernen Massen ballten sie sich, schoben sich ineinander und vermengten sich, so dass die Helligkeit des Tages schwand und eine violette Düsternis aufdämmerte. Es schien, als stiegen gelbliche Dämpfe aus den üppigen Sojapflanzen auf und durchdrangen sich mit der Dunkelheit unter dem Himmel. Drückende Regungslosigkeit beherrschte die feuchtschwere Luft und Stille lastete auf

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