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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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erstarrt mit hochgezogenen Schultern.
    „Das ist einfach unglaublich, Consuelo!“ rief er aus.
    „Du – du glaubst mir nicht?“ fragte sie.
    „Doch, ich glaube dir. Du sagst doch die Wahrheit, oder?“ Vincent sah ihr eindringlich in die Augen und versuchte zu ergründen, was alles in diesem jungen Köpfchen vor sich ging. Consuelo war ihm ein wandelndes Rätsel, eine Sphinx der stets neuen Fragen. Gleichzeitig aber berückte ihn ihr Hilfsbedürfnis und er warf sich bitter vor, nicht schon viel früher eingegriffen zu haben und sie nicht schon viel früher irgendwie, auf welchem Wege immer, dem Einfluss dieser Sekte entzogen zu haben. Es war ihm nun vollkommen gleichgültig, ob er selbst mit Konsequenzen zu rechnen hatte, oder ob er ausgeschlafen war. „Wie heisst denn diese Sekte?“
    „Die Gemeinde der Flammenden Herzen“, sagte sie.
    „Sind die katholisch?“ fragte er entgeistert.
    „Irgendwie schon, aber nicht so richtig. Ich weiss nicht so viel darüber, aber ich glaube, sie machen auch Sachen, die im katholischen Glauben nicht erlaubt sind“, meinte sie darauf. „Viele Gebete sind gleich und die Kerzen und der Weihrauch. Aber die Art ist anders. Wie man betet.“
    Vincents religiöse Bildung rangierte auf dem mitteleuropäischen Minimum. Er wusste anhand der Menge der Feiertage gerade die katholischen von den protestantischen Gemeinden zu unterscheiden, aber die Einzelheiten waren ihm vollkommen unbekannt und sein Interesse gering. „Aha“, sagte er deshalb und die Müdigkeit überfiel ihn und er lehnte den Kopf an die Nackenstütze.
    „Und ich glaube, die Priester dürfen auch mit niemandem schlafen, oder?“ sagte Consuelo nachdenklich und Vincent war mit einem Schlag wieder wach.
    „Das Kind, das Baby, das war vom Priester?“ rief er auffahrend und starrte das Mädchen an. Sie brauchte gar nicht mehr zu antworten. Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. All die Einzelheiten, ihre Geheimnisse, ihre Panik. Wie Mosaiksteine bildeten sie ein Bild und zum ersten Mal glaubte er Consuelos Persönlichkeit einordnen, ja fast verstehen zu können. Er hatte eine hässliche Geschichte hinter ihrer Schwangerschaft vermutet, aber das war noch schlimmer, als seine schlimmsten Verdachtsmomente. Es war widerwärtig und ihre Bemerkung über den Exorzismus, die Beschreibung ihrer Ambivalenz für die Sekte, sie drehten ihm den Magen um.
    „Ja“, sagte sie da ganz leise und sanft. „Vom Priester. Aber ich bin ja jetzt nicht mehr dort, weil du gesagt hast, dass du mir hilfst und du hilfst mir auch. Du hast mir immer geholfen, du hast mich befreit, du gibst mir zu essen und du schützt mich, ja?“
    Die Verantwortung, die ihm da mit der Sanftheit eines Bienchens und doch unmissverständlichem Nachdruck angetragen wurde, drückte Vincent nieder. Er legte die Stirn in Falten und blickte zum Himmel. „Hm.“
    „Du wirst mir doch helfen?“ insistierte sie.
    „Da wird mir wohl nicht viel anderes übrig bleiben“, murmelte er und schloss lauter an: „Lass mich überlegen, was wir jetzt am besten tun. Ganz einfach wird diese Sache nicht.“
     
     
    Er hatte sie in seine Wohnung gebracht und ihr nahegelegt, dieselbe nicht zu verlassen. Es war bereits nach Mittag, als er sich endlich ins Büro begab, wo Curdin ihm ernstlich ins Gewissen redete. Es sei nicht zumutbar, derart spät erst aufzutauchen, ohne sich abgemeldet zu haben. Vincent hörte sich die Rede kühl an. Er war übernächtigt und es war ihm vollkommen gleichgültig, was sein Vorgesetzter im zu sagen hatte.
    „In aller Freundschaft, Vincent, du musst die Bedingungen, nach denen wir arbeiten, wirklich ernster nehmen!“ rief Curdin, als jener sich an die Wand lehnte und überlegte, inwiefern hier von Freundschaft die Rede sein konnte. Waren Schiffbrüchige notgedrungen Freunde? Teilten sie sich nicht eher dasselbe Missgeschick?
    „Mhm“, meinte Vincent schliesslich und bemerkte, er müsse noch den Bericht über das Waisenhaus in Concepcion abschliessen.
    „Aber auf welcher Grundlage, du warst doch schon ewig nicht mehr dort!“ ereiferte sich Curdin.
    „Ich war heute Morgen dort, die Toiletten sind in Ordnung und die Abrechnungen sauber, oder anders herum“, meinte er abschliessend.
    „Warum sagst du das denn nicht gleich? Ich dachte, du machst dir einen schönen freien Morgen! Warum hast du nicht Bescheid gegeben?“ , rief der andere.
    „Das hatte ich wohl vergessen, bitte entschuldige Curdin, ich bin müde und möchte das kurz

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