Paradies für alle: Roman (German Edition)
sie denn eigentlich ver …« Ich wollte verheiratet sagen, aber die einsame Spaziergängerin sagte: »Verliebt. Doch. Seit Jahren. Deshalb gehe ich spazieren. Ich suche.«
»Wie? Wen? Einen bestimmten Mann?«, fragte ich. Aber da war die einsame Spaziergängerin schon an uns vorbeigegangen und in den nächsten Feldweg eingebogen, und bald war sie nur noch der gewöhnliche schwarze Strich zwischen den Äckern.
Dann hatte Lotta endlich Geburtstag, und sie wollte ganz groß bei sich zu Hause feiern, sie plante das seit Wochen, sie erzählte mir jeden Tag, wie viele Verwandte und Bekannte sie einladen und wie viele Luftballons es geben würde und wie viele Torten sie mit ihrer Mutter zusammen backen musste und dass sie dringend noch Pappbecher brauchte.
An ihrem Geburtstag ging ich zu ihrem Haus und brachte zwei Stangen Pappbecher mit, die bekommt man ja in Stangen wie Zigaretten. Im Haus lief laute Musik, der Boden dröhnte bis draußen, und Marcel und irgendein anderer Typ waren draußen damit beschäftigt, einen Motor auseinanderzubauen. Lottas Vater nickte mir zu, er fütterte gerade die Kaninchen, die sie ab und zu schlachten und essen. Lottas Mutter rief drinnen im Haus etwas, und Livia rief zurück. Eigentlich schrien sie aber eher. Ich sah nirgendwo Luftballons und auch keine Gäste.
Dann kam Lotta aus dem Haus gerannt und sagte »komm mit«, also rannte ich mit ihr zusammen weiter, mit den Pappbechern und meinem Geschenk in der Hand, das ich in sehr viel buntes Papier verpackt hatte, weil Lotta sehr viel buntes Papier gerne hat.
Sie blieb erst zwei Straßen weiter stehen.
»Sie sind alle nicht gekommen«, sagte sie. »Kein Einziger von den Verwandten. Und jetzt streiten Mama und Livia wieder und haben meinen Geburtstag schon fast vergessen, obwohl Mama eigentlich noch einen Kuchen backen wollte, aber Marcel, der sollte das Mehl mitbringen vom Einkaufen, der hat das natürlich auch vergessen.«
Sie trat nach etwas, das nicht da war, oder nach jemandem, der in diesem Fall ebenfalls nicht da war, denn ich war es nicht.
»Dein Geschenk von mir, das ist ein Film«, sagte ich. »Und weißt du, was wir jetzt machen? Ich gehe nach Hause und hole den Hund aus dem Schuppen, weil der rausmuss, und ich leihe mir den Laptop von Claas aus und dann gehen wir zu Rosekast und feiern deinen Geburtstag da.«
»Meinst du, Rosekast hat viel übrig für Geburtstage?«, fragte Lotta. »Sonst sagst du immer, wir sollen leise sein, weil er nachdenkt.«
»Heute hat er bestimmt nichts dagegen, wenn wir mal laut sind«, sagte ich.
Rosekast hatte wirklich nichts dagegen. Er wunderte sich über den Laptop, aber als er aufgehört hatte, sich zu wundern, sagte er, wir könnten gerne im Haus den Film ansehen, er selbst bliebe aber lieber draußen.
Drinnen war wieder eine fürchterliche Unordnung, diesmal hatte jemand Gras vom letzten Sommer ins Wohnzimmer getragen und zwischen den Sofakissen ein Nest daraus gebaut, aber wer immer es gewesen war, bei unserem Kommen war er vermutlich weggelaufen, denn das Nest war leer.
Ich stellte den Laptop auf den kleinen Wohnzimmertisch und goss in der Küche, durch die eine Ameisenstraße zog, heißen Kaba aus meiner Thermoskanne in Tassen. Rosekast trank seinen Kaba draußen. Er trug die Kaninchenfellmütze und sah sehr zufrieden aus. Ich glaube, Rosekasts Leben ist viel gemütlicher geworden, seitdem er uns kennt.
Und dann saßen wir auf dem Sofa und sahen den Film.
Es war Narnia Teil eins, weil ich Lotta vom Kleiderschrank erzählt und sie das Buch nicht gelesen hatte. Lotta kann nicht so gut lesen. Filme ansehen kann sie sich aber hervorragend.
Draußen fing es an, zu schneien, während wir drinnen saßen, und wir fanden eine alte Decke von Rosekast, die zwar Mottenlöcher hatte, aber sonst noch in Ordnung war, mit der deckten wir uns zu. Ich hatte auch Kekse mitgebracht und einen leider sehr alten Luftballon, den ich bei uns im Keller gefunden hatte. Er war rot und ließ sich mit etwas Mühe noch aufblasen. Lotta hielt ihn während des ganzen Narnia-Films im Arm. Zwischen uns lag der Hund wie eine Wärmflasche.
»Das ist gar nicht der schlechteste Geburtstag«, sagte Lotta. »Auch wenn ich kein Fahrrad gekriegt habe.«
Ungefähr in dem Moment fasste ich einen Entschluss.
Nämlich den, dass Lottas Familie ab jetzt auch auf der Liste ist. Das hätte mir eigentlich früher einfallen können. Ihre Eltern haben ja beide keine Arbeit, ihre Brüder auch alle nicht, was bei denen aber kein Wunder ist. Was
Weitere Kostenlose Bücher