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Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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als weniger klug hinstelle, als sie eigentlich ist. Das Problem mit Celia war, sie war gerade klug genug, um nicht wirklich in so ein Caféprojekt zu passen.
    Ich googelte ambulante Pflegedienste und Auflagen für Bio-Milchwirtschaft und schrieb eine Menge Dinge auf. Natürlich würde der Bauer mich für verrückt erklären, wenn ich mich einmischte. Aber vielleicht könnte das nötige Startkapital ihn davon überzeugen, dass ich nicht ganz verrückt war. Ich machte hinter das Wort STARTKAPITAL auf meiner Liste ein großes Fragezeichen.
    Jarsen hätte es, natürlich.
    Aber Jarsen war weniger als ein Freund. Ich sah im Speicher meines Fotoapparats nach, aber alle Bilder darin waren gelöscht. Ich würde weiterlesen müssen, um herauszufinden, ob David Jarsen noch einmal besucht hatte. Und so saß ich schließlich wieder vor der alten schwarzen Schreibmaschine. Auf Davids Bett hatte sich der Hund zusammengerollt.
    Ich legte meine Hände auf die Tasten, verschob sie diesmal in eine andere Richtung; es war so leicht, dass ich beinahe lachte. David hatte wirklich keine Zeit mehr gehabt, viele rätselhafte Geheimschriften zu erfinden.

Werkstattbericht – Eintrag 10

29. März
Mehrere neue Leute stehen auf meiner Liste, und ich denke, jetzt kommt wirklich niemand mehr dazu.
Den ersten Menschen fand ich Anfang des Monats am Ende der Straße, in der meine Schule steht.
Ich fand ihn, indem ich in der Freiarbeit aus dem Fenster sah, weil meine Augen vom Lesen weh taten. Eigentlich hätte ich ehrlich gesagt überhaupt nicht lesen sollen, sondern rechnen, weil ich in letzter Zeit ja nicht mehr so gut aufpassen kann und deshalb in Mathe ein paar Probleme bekommen habe, worüber sich alle wundern.
Aber ich hatte beschlossen, das Rechnen zu verschieben bis nach der Paradieswerkstatt, denn bis dahin musste ich noch ein paar von Rosekasts Büchern lesen. Irgendwie hoffe ich die ganze Zeit, ich finde in einem der Bücher eine Lösung, wie ich das Paradies schneller hinbekomme. Ich meine, es müssen sich ja schon andere Philosophen Gedanken darüber gemacht haben, oder?
Zurzeit lese ich parallel Plato, Habermas und das Neue Testament. Das Buch von Habermas hatte den schönsten Einband, weil er noch neu und nicht so kaputt war, aber ich habe noch nicht herausgefunden, was er eigentlich sagen möchte.
Dieser Habermas lebt noch und macht sich offenbar eine Menge Gedanken darüber, was gut oder schlecht ist, aber ein Paradies zu machen ist ihm noch nicht eingefallen. Das ist noch keinem Philosophen eingefallen, und das finde ich beunruhigend.
Vielleicht ist es ZU SCHWER?
Ich sah jedenfalls aus dem Fenster, mitten im Neuen Testament, bei der Stelle, wo Jesus übers Wasser geht. Finn hat gesagt, Jesus ist ein bisschen wie Spidermann oder Supermann. Er (Jesus) ist von allen noch am einfachsten zu verstehen, er will einfach etwas und dann macht er es.
Draußen, am Ende der Straße, stehen lauter Mülltonnen, und an diesem Tag saß ein Mann auf einem Klappstuhl zwischen zwei blauen Altpapier-Containern. Es regnete, und deshalb hatte der Mann eine große Pappe quer über die Container gelegt wie ein Dach. Irgendwann würde die Pappe allerdings durchregnen, das war klar, er konnte da nicht ewig sitzen bleiben.
Er blieb ewig sitzen. Er saß noch da, als ich nach der Schule in den Bus stieg. Er hatte einen alten Strickpullover mit lauter Löchern an und um sich herum lauter Plastiktüten verteilt, als hätte er gerade eingekauft.
Er saß auch am nächsten Tag noch da. Gerade, als ich mit dem Bus ankam, nahm er etwas aus einer der Plastiktüten, was aussah wie eine sehr alte Schwarzbrotpackung. Und in der Pause habe ich gesehen, wie er in einer der Mülltonnen, die nicht für Papier sind, etwas gesucht hat.
Ich stand am Zaun und sah die Straße entlang, ich wünschte, ich hätte ein Fernglas gehabt, um den Mann zu beobachten, ohne dass er sich beobachtet vorkam.
»Was machst du denn da?«, fragte Finn hinter mir.
»Guck mal«, sagte ich. »Der Mann da hinten, bei den Tonnen.«
»Der Penner?«, fragte Peter.
»Der hat keine Wohnung«, sagte Finn. »Deshalb lebt er auf der Straße. Mein Vater hat gesagt, man soll denen kein Geld geben, die geben es nur für Schnaps aus. Machst du jetzt mit, wir machen ein Rennen mit den Bobbycars von den Kleinen aus dem Hort –«
»Er friert sicher«, sagte ich. »Man müsste ihm etwas Wärmeres zum Anziehen geben. Ist ja noch kalt. Ich habe neulich schon über eine Umverteilung von Kleidern nachgedacht, wegen

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