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Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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die einsame Spaziergängerin stehen und sah sich um wie eine Königin, die sich ihr Reich ansieht, alle Felder und Wege gehörten ihr und ihren einsamen Spaziergängen.
»Es ist so«, sagte sie, und genau wie Jarsen im Auto kam es mir vor, als spräche sie eher zu sich selbst als zu uns, »es ist so: Ich liebe. Aber ich liebe niemanden. Es ist niemand da, den ich lieben könnte. Ich suche jemanden, um ihn zu lieben. Ich habe zu viel Liebe, und ich suche nach einem Menschen, dem ich sie geben könnte, es ist so, als hätte man zu viel Milch, aber kein Baby, um es zu stillen. Ich habe es mit dem Garten versucht, Blumen brauchen viel Liebe, heißt es, aber es hat nicht gereicht. Die Blumen haben nicht gereicht, für die Liebe, es ist immer noch zu viel übrig. Ich habe überall gesucht, auf Reisen, und in Zeitungen, und im Internet, aber ich habe nicht den richtigen Menschen gefunden.«
»Oh«, sagte ich, weil mir nichts anderes einfiel, die Sache war einfach zu seltsam.
Oder eigentlich gar nicht seltsam. Vermutlich gibt es viele Erwachsene, die lieben und niemanden finden.
Wir gingen den Hügel hinunter, und Lotta verteilte Kaugummis, und wir kauten und gingen weiter, und das ist eigentlich das Ende der Geschichte.
Zu Hause sagte ich, mit dem Abendessen bei Lotta hätte es etwas länger gedauert, wir hätten noch ein Spiel gespielt. Im Bett holte ich meine Liste hervor für die Paradieswerkstatt, und ich schrieb zwei neue Leute darauf: die Frau, die zu viel liebt.
Und Jarsen.
Jarsen hat sehr viel Geld, aber er ist trotzdem unglücklich. Das Paradies muss für alle da sein.
Langsam frage ich mich, ob ich irgendwann jeden auf die Liste schreiben werde, den ich überhaupt kenne, weil jeder auf seine eigene Weise unglücklich ist.

Zwei Tage später hat Claas auf mich gewartet, als ich aus der Schule kam. Ich fand es komisch, dass er frei hatte. Lovis war nicht da, sie war für ein paar Tage in Berlin wegen irgendwas, und ich hatte einen Schlüssel deswegen. Claas saß in der Küche.
Er hatte gekocht, oder er hatte es versucht, das Ergebnis waren Spaghetti mit angebrannter Tomatensauce. »Das hättest du nicht zu machen brauchen«, sagte ich. »Ich esse doch immer in der Schule. Aber wir können die Spaghetti abends essen.«
»Oh«, sagte Claas. Und dann: »Setz dich mal für einen Moment« und dann: »Herr Jarsen war hier.«
Ich sagte nichts, sondern sah hinaus. Draußen regnete es. Die Weiden am Ende der Wiese hatten neue grüne Blätter und Triebe bekommen, und man sah, wie sie den Regen aufsaugten. In der mittleren saß Lotta. Sie hatte meine Regenjacke an, die rote Reserveregenjacke. Ach, das habe ich vergessen, zu erzählen, ich habe nämlich jetzt wirklich Kleider umverteilt, Lotta hat ein ganzes Paket mit Sachen von mir bekommen, und es hat kein Mensch gemerkt, außer natürlich Lotta selber.
»Herr Jarsen sagt, du bist sozusagen bei ihm eingebrochen«, sagte Claas.
»Ja«, sagte ich.
»Ja?«, fragte Claas, und man sah, dass er erstaunt war. »Ich hatte gehofft, du würdest nein sagen.«
»Wenn du möchtest, kann ich«, sagte ich. »Nein.«
»Bist du nun eingebrochen oder nicht?«
»Sagen wir so, ich war in seinem Haus. Es ist … es ist Teil eines Projekts … Ich kann dir das nicht erklären. Es ist geheim.«
»Du könntest es mir vielleicht erklären, wenn ich verspreche, es nicht weiterzusagen,« meinte Claas.
»No way.« Falls Sie das nicht wissen: Das ist englisch, was wir in der Schule ja lernen, und es hieß, dass ich Claas garantiert nichts erklären würde. Er sagte nicht, ich müsste es ihm aber erklären, er guckte mich nur an. Und zwar – ich weiß nicht, warum mir das einfiel – auf genau die Art, auf die er mich immer angeguckt hat, wenn ich hingefallen bin und er mich getröstet hat. Gar nicht sauer, sondern so, als hätte ich mir weh getan und er wüsste das.
»Na ja«, sagte ich. »Es ist aber eine lange Geschichte, und du musst schwören, dass du keinem etwas sagst, auch nicht Lovis, vor allem nicht Lovis; Lovis hat genug zu tun mit ihren Bildern, die hat keine Zeit, sich auch noch Sorgen zu machen um mich oder um die Welt.«
»Ich schwöre«, sagte Claas.

Jetzt sagen Sie sicher, ich hätte die Paradieswerkstatt verraten, und das habe ich ja auch, aber nicht so verraten wie in »Verrat«. Ich habe Lotta nicht gesagt, dass ich Claas alles gesagt habe. Und überhaupt habe ich ihm auch gar nicht alles gesagt, Rosekast zum Beispiel habe ich weggelassen, das ist sicher besser so, weil er sonst

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