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Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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die Tage vorher immer wieder geregnet; die Reifen schlitterten auf dem feuchten Sand, fanden keinen Halt, der Wagen drehte sich seitwärts, vielleicht waren wir für einen Sandweg doch etwas zu schnell gefahren – ich ballte meine Hände zu noch festeren Fäusten, ich konnte nichts tun, während wir auf Lotta zuschlitterten, und Lotta bewegte sich nicht, und das Auto war sehr groß und sehr schwer –
und stand.
Jarsen entriegelte die Türen, er dachte in dem Moment wohl nicht daran, nur seine Tür zu entriegeln, und als er aus dem Wagen sprang, sprang ich auch. Er war vor mir bei Lotta, kniete neben ihr nieder, wollte sie anfassen, traute sich aber nicht, man sah, wie er zögerte, weil er nicht wusste, ob oder wie sie verletzt war, und dann, ganz plötzlich, sprang Lotta auf und war überhaupt kein bisschen verletzt. Sie rannte unter Jarsens Händen davon wie ein Wiesel, nach rechts, in den Wald, und ich rannte ihr nach. Hinter uns hörte ich Jarsen fluchen.
Äste voller neuer Frühjahrsknospen schlugen mir ins Gesicht, ich sah Lotta im Mondlicht vor mir herlaufen, holte sie ein, wir liefen nebeneinander zwischen den Bäumen durch, erreichten einen Weg – und erschraken furchtbar, denn dort, auf dem Weg, stand jemand. Eine schwarze Gestalt in einem beinahe bodenlangen Mantel. Sie war wie ein Geist. Wir schlugen einen Haken und rannten um sie herum, über den Weg, auf der anderen Seite weiter, und dann stolperten wir beide gleichzeitig über einen morschen Ast und landeten im feuchten Laub. Lotta wollte wieder aufstehen, aber ich hielt sie mit einem Arm zurück. »Psst«, flüsterte ich. Der Waldboden war dunkel; das Mondlicht kein Vollmondlicht. Sich nicht zu bewegen war, dachte ich, das beste Versteck.
Irgendwo erschien das Licht einer Taschenlampe in der Nacht, und ich fluchte innerlich, weil der Plan mit dem besten Versteck jetzt nicht mehr aufging.
»Haben Sie mich jetzt erschreckt«, sagte Jarsens Stimme ein paar Meter weit weg. »Was tun sie hier?«
»Spazierengehen«, antwortete eine Frauenstimme, und da wusste ich, dass es kein Geist war, sondern die einsame Spaziergängerin. »Und Sie?«
»Ich suche jemanden.«
»Oh, ich auch«, sagte die einsame Spaziergängerin.
»Zwei Kinder«, sagte Jarsen. »Das eine ist der Junge vom Pfarrhaus, und das andere habe ich nicht richtig gesehen … sie müssen hier vorbeigerannt sein.«
»Nein«, sagte die einsame Spaziergängerin, ohne zu zögern. »Hier sind keine Kinder vorbeigerannt. Vielleicht haben Sie sich in der Richtung geirrt.«
»Hören Sie«, sagte Jarsen schroff, »das ist kein Spiel. Kinder alleine im Wald, in der Nacht …«
»Natürlich ist es kein Spiel«, erwiderte die einsame Spaziergängerin. »Aber sie sind trotzdem nicht vorbeigekommen. Tut mir leid.«
»Dann«, sagte Jarsen.
Wir hörten, wie seine Schritte sich entfernten, wie er fortging, um den Wald anderswo nach uns abzusuchen. Wir warteten sehr lange, so lange, bis wir hörten, wie Jarsen den Jeep wieder startete. Er brauchte ein paar Anläufe, um ihn zu bewegen, die Räder hatten sich bei der Seitwärtsdrehung des Wagens im Sand festgefahren. Ich dachte, er würde vielleicht zu meinen Eltern fahren, aber das Geräusch des Motors entfernte sich in Richtung Gutshaus, und da endlich ließ ich Lotta los, und wir standen auf. Mir war sehr kalt.
»Wow, Lotta«, sagte ich. »Das war gefährlich.«
»Ich musste doch irgendwas machen«, sagte Lotta. »Um dich zu retten.«
»Danke«, sagte ich.
Wir gingen zurück auf den Weg, und dort stand die einsame Spaziergängerin noch immer.
»Ich gehe jetzt ins Dorf zurück«, sagte sie. »Wir könnten eigentlich zusammen gehen. Zwei Kinder allein im Wald … Das ist keine gute Idee, da hat er recht.«
Wir gingen also neben ihr her, und sie sah immer noch aus wie ein Gespenst mit ihrem langen schwarzen Mantel und ihren langen schwarzen Haaren, die waren wie eine Kapuze.
»Es war so, wir … wir haben ihm sowas wie einen Streich gespielt«, erklärte ich, damit sie gar nicht erst fragte. »Und Sie … Sie suchen wen, haben Sie gesagt? Wen denn?«
»Niemand Bestimmten«, sagte die einsame Spaziergängerin.
»Aber jemand Unbestimmten?«, fragte Lotta.
»Leider«, sagte die einsame Spaziergängerin. »Wenn ich es euch erzähle, werdet ihr lachen.«
»Versprochen, dass nicht«, sagte Lotta.
Wir hatten den Waldrand erreicht und gingen den Weg über die Felder entlang, am Kuh-Gefängnis des Milchbauern vorbei und den Hügel hinauf.
Ganz oben auf dem Hügel blieb

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