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Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Finn besuchen oder sie mich
Mathe machen, was ich ehrlich gesagt ganz interessant finde (statt unverständliche Bücher zu lesen. Die Bücher brauche ich nämlich dann erst mal nicht mehr, weil ich darin ja nach einer besseren Lösung gesucht habe, aber jetzt ist alles – so gut wie – gelöst.)
Listen machen, die absolut überhaupt nichts mit dem Paradies zu tun haben.
Einfach nur zusehen, wie sich alles verändert. Denn wenn meine Theorie von der Murmel und der schiefen Ebene stimmt – und sie stimmt –, dann kippt die schiefe Ebene, sobald ich all die Lösungen auf der oberen Liste umgesetzt habe. Dann rollt die Murmel auf der anderen Seite herunter, und das bedeutet, dass sich die Welt ganz von selbst in ein PARADIES AUF ERDEN verwandelt. Ich bin gespannt, was wohl alles passiert.
Ob die Leute einfach ganz allgemein netter zueinander sein werden? Oder ob spezielle Sachen passieren? Ob es weniger schlechtes Wetter gibt? Und mehr Geld insgesamt? Und mehr Stunden am Tag? Das hört sich nicht an, als könnte man daran glauben. Aber früher haben die Leute auch nicht geglaubt, dass die Erde rund ist. Das Paradies wird einfach etwas sehr Neues sein, an das man sich erst gewöhnen muss. Ich werde keinem sagen, dass Lotta und ich es gemacht haben.
Es reicht, wenn wir beide das wissen.

    Mit diesem Satz endete Eintrag 11, denn oben auf der nächsten Seite stand »Eintrag 12«.
    Ich schlug die Mappe zu und merkte, dass ich Tränen in den Augen hatte, dumme Tränen, denn der letzte Satz von Eintrag 11war überhaupt nicht traurig. Und aus Rührung über etwas zu heulen ist sicherlich dumm.
    Aber ich war alleine zu Hause, da war kein vernünftiger Claas, der mich fragen konnte, warum ich heulte, und dem ich hätte antworten müssen, und so beschloss ich, einfach weiterzuheulen.
    Ich stand auf und ging zur Verandatür und sah hinaus in die Dunkelheit, und ich dachte an alles, worüber ich noch heulen konnte, außer Davids Geschichte und seinem Unfall, weil mir einfach nach Heulen zumute war.
    Ich heulte, weil Samstags Familie tot war und weil Finns Mutter in Fragenzeichensätzen sprach, ich heulte, weil die Marie sich aufgehängt hatte und weil ich es nicht geschafft hatte, eine Ehe zu führen, die auf irgendeiner Basis funktionierte, und weil ich mich als kleines Mädchen in einem Spielplatzhäuschen versteckt hatte, um mit meiner geometrisch gemalten Grau-Weiß-Welt allein zu sein, und weil der schwere Duft der Maiblüten, der durch die Ritzen ins Haus drang, zum Heulen schön war, und wegen der kitschigen Enden sämtlicher Hollywoodfilme, die ich je gesehen hatte, von Romeo und Julia bis Titanic.
    Schließlich ging ich in die laue Nacht des Gartens hinaus, barfuß, im Bademantel, weil dort sowieso niemand war, der mich sehen konnte. Außer vielleicht Lotta, aber die war mich inzwischen gewohnt. Ich ging über das taunasse Gras, sah die schwarzen wolligen Klumpen, die ein Stück weiter im Stehen schliefen, und dachte »kümmere dich um die Schafe.« Um die Schafe brauchte sich bis zum Winter niemand zu kümmern, die Schafe kümmerten sich um sich selbst.
    Wenn Claas gehofft hätte, dass es nur für ein paar Tage oder Wochen wäre, hätte er nichts über die Schafe gesagt.
    »Das ist gut«, flüsterte ich. »Er weiß, dass es endgültig ist. Nur David und ich werden im Herbst hier sein, er kann mir helfen, ihren Unterstand winterfest zu machen …«
    Aber es war Claas gewesen, dem er von der Paradieswerkstatt erzählt hatte. Claas, der ihm das Geld für Frau Hemke versprochen hatte, ehe ich überhaupt von Frau Hemkes Existenz wusste. Claas, der dafür gesorgt hatte, dass Herr Wenter endlich in die Klinik ging.
    »Und Claas«, wisperte ich, »der auf der Autobahn angehalten hat, um David aussteigen zu lassen. In Finns Sachen.« Ich verstand immer noch nichts, gar nichts.
    Eine Nachtigall sang, oder vielleicht war es ein Sprosser, Claas hatte immer auf dem Unterschied bestanden, den ich sowieso nicht hörte. Ich beschloss, dass es eine Nachtigall war, denn »Nachtigall« klingt viel romantischer, obwohl Claas gesagt hätte, es ginge dabei nicht um Romantik, es ging um Korrektheit. Ich folgte ihrem Gesang; sie sang nicht im Garten, sie sang jenseits der Mauer zur Rechten: der Friedhofsmauer.
    Es gab ein kleines Törchen dort, das man nicht abschließen konnte, und ich ging hindurch und fand die Nachtigall in einem verblühten Fliederbusch. Sie flog nicht fort, als ich näher kam, sie saß einfach da, als schwarzer

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