Paradies für alle: Roman (German Edition)
lebt, hat Herr Wenter dann doch gesagt, okay, er geht ins Krankenhaus, und da ist er jetzt, und ich habe mit ihm telefoniert, er kriegt jetzt Medizien gegen die TB, was ihn nervt, aber sonst wäre er hopsgegangen, sagt er, und da sind die Ärzte wohl das geringere Übel. Er hat allerdings immer noch nicht begriffen, woher er das seltsame Abo für Groschenromane gehabt hat, er hat sie alle sorgfältig gestapelt und neben der Eingangstür aufbewahrt, gelesen hat er sie nicht.
Na ja.
Lottas Familie – in der Galerie, wo Lovis ihre Bilder ausstellt, suchen die eine Putzfrau, das habe ich gesehen, als ich neulich mit Lovis da war, und ich werde da anrufen und ihnen sagen, dass ich eine weiß, dann hätte Lottas Mama Arbeit. Das wäre immerhin ein Anfang.
Außerdem werde ich von jetzt an mit Lotta lernen, damit sie in der Schule ganz gut wird und später einen prima Abschluss hat und etwas Richtiges wird, womit man viel Geld verdient.
Celia – ich habe jetzt den Brief geschickt, dass ihr Verlobter leider tot ist. Keiner zeigt mehr mit bösen Fingern auf sie, sondern alle gucken sehr mitleidend, wenn sie vorbeikommt.
René – die Fotos helfen immer noch, sie schmeißen bisher keine Sachen mehr auf ihn.
Der Penner – der wollte nicht in Rosekasts Mülltonne wohnen, als ich ihn das gefragt habe, hat er zum ersten Mal nein gesagt. Er wird also wohnen bleiben, wo er wohnt, zwischen den Mülltonnen, und ab und zu bringe ich ihm etwas Nettes vorbei.
Jarsen – der braucht Ablenkung von seiner Frau, die nicht mehr da ist. Lotta und ich finden, er muss einfach endlich etwas Sinnvolles tun. Seinen Lebensunterhalt verdienen braucht er ja nicht. Deshalb könnte er sich mit dem Bauern zusammenschließen und ihm helfen, Land für die Kühe zu kaufen und sie frei rumrennen zu lassen. Jarsen müsste dann Geld in die Sache stecken, aber er könnte auch die Milch für umsonst für sich bekommen, und er würde nicht mehr an die Frau denken. Wenn er doch noch so viel an sie denkt, machen wir auf die Milchpackungen ein Bild von ihm, so dass seine Frau – wenn sie so eine Milchpackung kauft – sieht, dass er ganz viel Gutes tut und dann beeindruckt ist und also doch zu ihm zurückgeht.
Die einsame Spaziergängerin, die zu viel liebt – für die haben wir eine Kontaktanzeige in der Zeitung geschrieben, viel schöner, als sie selbst je eine schreiben könnte. Der Mann bei der Zeitung, dem wir sie übers Telefon durchgegeben haben, hat direkt geweint vor Rührung. Obwohl Lotta glaubt, ich hätte mich verhört und er hätte gelacht, aber da irrt sie sich bestimmt.
Der Hund – der muss wohl doch bei uns bleiben, bis auf weiteres.
An dieser Liste sieht man, dass noch nicht alles gelöst, jedoch für jedes Problem eine Lösung vorhanden ist, die teilweise noch ausgeführt werden muss. Es ist ein wunderbares Gefühl, eine solche ausgefüllte Liste vor sich zu haben.
Ich war gestern bei Rosekast, um ihm von allen Lösungen zu erzählen, und er hat auf seiner Bank gesessen und gelächelt. »Das Paradies ist also ganz nah?«, hat er gefragt. Irgendwie klang es, als könnte er das nicht glauben.
»Ist es das denn nicht?«, habe ich gefragt.
»Ich bin nicht hier«, hat er gesagt, »um Antworten zu geben.«
Aber da war etwas hinter seinem immer ruhigen Gesicht, hinter seinem Lächeln, was mich beunruhigt hat. Und in seinem Wohnzimmer sah es schon wieder aus, als hätte eine Wildschweineherde dort gewütet. Es hat lange gedauert, aufzuräumen, obwohl Lotta mir geholfen hat. Jemand hatte auch das Gemüsebeet zertrampelt, leider. Und eine der Wände von Rosekasts Haus wird immer schiefer; sie neigt sich nach innen, und ich fürchte, ihre Lehmziegel halten nicht mehr lange.
»Wenn ich eines Tages nicht mehr da bin«, sagte Rosekast, ehe wir gingen, »wohin wirst du dann gehen, David, wenn du jemanden zum Reden brauchst?«
»Dann werde ich längst erwachsen sein«, sagte ich, »denn so lange sind Sie noch da. Und wer erwachsen ist, braucht vielleicht keinen mehr zum Reden.«
Aber glauben tue ich das nicht.
Ach was. Ich möchte jetzt nicht über kaputtgehende Häuser und über Gemüsebeete nachdenken. Ich möchte denken: Alles kommt in Ordnung. Ganz bald.
Und dann kann ich endlich wieder andere Dinge tun, als mich um die Leute im Dorf und ihre Probleme zu kümmern.
Liste der Dinge, die ich tun werde:
ruhig schlafen, ohne über Probleme nachzudenken
Fußball spielen und dabei auch aufpassen, so dass sie mich wieder als Torwart nehmen
Peter oder
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