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Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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meine Frage stellen.
» Wenn es etwas wie einen guten Gott gibt«, fragte ich, »in den Menschen oder außerhalb, warum lässt er dann das Unglück zu?«
»Das ist die Theodizeefrage«, antwortete Rosekast, »eine der ältesten Fragen auf der Welt.«
»Und die Antwort?«, fragte ich, obwohl ich wusste, dass Rosekast nicht da war, um zu antworten.
»Die Antwort«, sagte Rosekast, »ist einfach.«
»Er WAR da und hat sich die Schokolade ausgedacht«, sagte Lotta, die vielleicht mehr versteht, als sie sich selber zutraut. »Oder er hat gemacht, dass sich die Menschen die Schokolade ausdenken. Aber jetzt …«
»Jetzt ist er NICHT MEHR da«, sagte ich. »Er hat die Menschen verlassen. Weil sie Steine werfen und Kriege machen und …«
»Ja«, sagte Rosekast. »Gott ist nicht mehr da.«
»Er ist … irgendwie … verschüttet«, sagte ich. »Das Gute in den Menschen ist verschüttet. Aber wir brauchen es!« Und an dieser Stelle sprang ich auf. »Wir brauchen das Gute! Wir brauchen Gott, wenn wir das Paradies auf Erden erschaffen wollen!«
Lotta sah zu mir auf. »Also?«, fragte sie und schob die Kaugummistücke wieder in den Mund.
»Jemand«, sagte ich, »muss ihn zurückholen.«

    Dies war der letzte Satz der Mappe. Es gab keinen weiteren Satz, kein weiteres Wort, keine weitere Seite, nichts.
    Ich saß lange da, den Kopf in die Hände gestützt, und dachte an Berlin, und daran, wie einsam und unglücklich David in dem Hotelzimmer gewesen war. Und ich, ich war nicht da gewesen, um ihn zu trösten. Wie gerne hätte ich alles geändert, im Nachhinein. Wie gerne hätte ich ihn in die Arme genommen und ihm gesagt, dass er die Welt nicht retten konnte und dass er sie nicht retten musste, dass es immer Unglück geben würde und Ungerechtigkeit, Gewalt und Tod, und dass es wunderbar war, was er getan hatte, nicht nichtssagend und zu wenig, sondern wunderbar und unglaublich viel, und wie sehr es half, wenigstens etwas zu tun, und …
    Und dass es keinen Gott gab? Hätte es ihm geholfen, wenn ich das gesagt hätte?
    Ich verfluchte in meinem tiefsten Inneren die Religionswerkstatt der Montessorischule, mit der alles angefangen hatte. Aber natürlich war es nicht die Schuld der Werkstatt oder der Schule, dass David sich in den Kopf gesetzt hatte, die Welt zu retten. Zweiunddreißig andere Kinder hatten die gleiche Werkstatt gehabt und nicht versucht, die Welt zu retten. Wessen Schuld also war es? Meine, weil ich nicht genug mit ihm gesprochen hatte? Die von Claas? Oder die von Rosekast?
    »Was hast du nur getan?«, flüsterte ich. »David, was hast du am zweiten Mai vorgehabt? Bist du losgegangen, um Gott zurückzuholen? Aber wie bist du darauf gekommen, dass Gott ausgerechnet in Rostock zu finden ist? Oder wolltest du weiter, viel weiter als Rostock, war die A 20 nur der Beginn? Wohin wolltest du? Wohin? «
    Er hatte auf seiner letzten Postkarte an Frau Hemke geschrieben, dass er eine Lösung für alles gefunden hatte und dass er vielleicht eine Weile fort wäre. Verreist. Aber ein silberner BMW hatte seine Reise zu Gott beendet, ehe sie hatte beginnen können.
    Ich schlief mit der Mappe im Arm auf dem Sofa ein, ohne eine Antwort auf meine Frage zu finden.
    Schließlich wachte ich auf, weil das Telefon klingelte. Ich fand es in einer Ritze zwischen den Kissen. Draußen war es bereits hell. Die Wanduhr zeigte kurz nach sieben Uhr früh.
    »Lovis«, sagte Thorsten. »Kommst du heute?«
    Es war schön, seine Stimme zu hören. Aber da war etwas in der Stimme, was mich beunruhigte.
    »Sicher«, antwortete ich schlaftrunken. »Ich komme doch jeden Tag.«
    »Ich bin selbst eben erst in die Klinik gekommen«, sagte Thorsten. »Davids Lunge hat sich verschlimmert. Er ist ateminsuffizient geworden, nachts. Sie haben ihn intubiert. Es ist in Ordnung jetzt, er braucht nicht mehr selbst zu atmen, die Maschine nimmt ihm die Arbeit ab und entlastet ihn. Vorübergehend natürlich. Das ist gut für seinen Körper, er … er braucht wohl noch mehr Ruhe, um sich zu erholen.«
    »Ich bin auf dem Weg«, sagte ich.

    Als ich ins Auto steigen wollte, stand Lotta daneben.
    »Hallo«, sagte ich.
    »Bis wohin hast du gelesen?«, fragte Lotta. »Du hattest nachts Licht, ich habe das gesehen, die halbe Nacht.«
    »Wo warst du denn? In unserem Garten? In der Weide?«
    »Bis wohin hast du gelesen?«
    Ich seufzte. »Lotta. Ich muss los. David geht es nicht gut, glaube ich. Es wird natürlich besser, es ist nur … komm mit.«
    Lotta sah mich an und

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