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Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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mehr, soviel ich weiß.«
    »Oh«, sagte ich.
    Ralinger faltete seine sehr langen Finger und sah mich weiter an.
    »Frau Berek. Es war nicht nur Schwester Erika, die mich gebeten hat, mit Ihnen zu sprechen. Es war auch Samstag selbst. Er hat heute Morgen angerufen. Es gibt Dinge, die er Ihnen nicht gesagt hat, die er Ihnen nicht … gestehen wollte. Die er sich selbst nicht eingestehen wollte.«
    »Ja«, sagte ich sehr leise, wusste aber nicht, was ich damit meinte.
    »Ich weiß, dass es … Differenzen zwischen Ihnen und Ihrem Mann gibt, was Ihren Sohn angeht. Ihr Mann war vorhin hier … Ich will ganz ehrlich mit Ihnen sein.« Er rollte seinen Drehstuhl herum, griff hinter sich und legte eine großformatige Mappe auf den Tisch. »Das sind die MRT-Bilder Ihres Sohnes«, sagte er. »Sie wissen, dass er noch immer fiebert? Wir bekommen weder die Pneumonie noch die Enzephalitis in den Griff. Das ist in diesen Fällen leider keine Ausnahme. Das EEG – die Hirnströme werden im Verlauf zusehends schlechter.«
    Er drehte die Bilder so, dass ich sie sehen konnte, obwohl ich nichts darauf erkannte. »Das ist der Schädelknochen«, sagte er, »sehen Sie? Das ist das Gehirn. Diese dunkleren Bereiche sind untergegangenes Gewebe, erweichtes Gehirn, das sich leicht infiziert. Es hat eine große Einblutung hier an der Seite gegeben durch den Aufprall beim Unfall. Dass er das Bein verloren hat, Frau Berek, wissen Sie, es ist eingequetscht worden zwischen dem hinteren Teil des Wagens und der Straße, aber das ist nicht Davids Problem.«
    »Ich … verstehe nicht«, sagte ich.
    »Ich fürchte, Sie verstehen«, sagte er.
    »Thorsten hat gesagt, keiner weiß, was in seinem Hirn wirklich los ist … Es gibt Wunder …« Ich sprang auf. »Man braucht nur einen geringen Teil der Hirnzellen, darüber existieren Untersuchungen … Thorsten hat gesagt, David wird aufwachen, bald …«
    »Hat er das gesagt?«
    Ich wusste es nicht mehr genau. Doch. Ich nickte.
    Ralinger sah zu mir auf und schüttelte den Kopf.
    »In diesem Fall hat Doktor Samstag Sie angelogen. Es tut mir leid, dass es so gelaufen ist. Dass Sie ausgerechnet an ihn geraten sind. Ich weiß, wie oft er an Davids Bett gesessen hat. Sein Sohn war so alt wie David, als er starb. Er … er sah ihm ein bisschen ähnlich, glaube ich. Samstag wollte es nicht wahrhaben, genauso wenig wie Sie. Aber im Grunde wusste er es die ganze Zeit.«
    »Was?«, schrie ich. »Was wusste er?«
    Ralinger stand auf und hielt meinen Arm fest, als hätte er Angst, dass ich weglaufen könnte. Seine Angst war begründet. »Davids Hirn hat seinen Körper auf die vegetativen Funktionen reduziert, Frau Berek. Die können natürlich lange erhalten bleiben, vielleicht Jahre, obwohl wir nicht sicher sind. Ich weiß, dass das grausam ist, aber ich muss es Ihnen sagen. David wird nie wieder sprechen. Er wird nie wieder denken. Das, was eine Person ausmacht, ist für immer in ihm verloren.«
    »Nein«, sagte ich. »Lassen Sie mich los. Sie haben kein Recht, mich festzuhalten.«
    Er ließ los. Ich blieb stehen.
    »Nein«, sagte ich noch einmal. »Sie lügen. Das ist alles nicht wahr.«
    »Leider doch«, sagte jemand anderer hinter ihm, eine Ärztin, die ich ebenfalls nur im Vorübergehen gesehen hatte. Sie stand da und verrieb Desinfektionsmittel auf ihren Händen und hatte offenbar gelauscht, und ich hasste auch sie. Es war wie eine Verschwörung.
    »Macht Ihnen das Spaß, ja?«, schrie ich. »Holen Sie doch noch ein paar Ihrer Kollegen! Kreisen Sie mich ein, werfen Sie mir von allen Seiten medizinische Fakten an den Kopf, über die ich nichts weiß! Ich gebe David nicht auf! Ich! Gebe! David! Nicht! Auf! Was haben Sie denn davon, wenn ich es tue? Ist es für die Klinik zu teuer, ihn hierzubehalten oder was? Geht es darum? Ich kann … ich kann es Ihnen bezahlen …«
    Ich holte mein Portemonnaie aus der Tasche und warf es ihnen zu Füßen, es klappte auf und ein paar Münzen rollten heraus, die EC-Karte rutschte aus ihrem Fach und strahlte unschuldig blau zu uns empor. Ich bin wie David, dachte ich, ich bin ja wie er. Als Nächstes werde ich den Schrank aufreißen und Tassen zerschmeißen, und beinahe lachte ich, ein irres Lachen – aber nur beinahe.
    Die Ärztin hob das Portemonnaie auf und gab es mir wieder. Sie war sehr jung und sehr blass.
    »Haben Sie Kinder?«, fragte ich.
    Sie nickte. »Zwei«, sagte sie. In ihren Augen glänzte es feucht. Auch ihre Augen waren jung, sie war hübsch, sie wäre

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