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Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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etwas für Jarsen gewesen, dünn und blond, ha, sie konnte noch mehr Kinder bekommen, ein drittes und ein viertes, im Gegensatz zu mir, aber selbst wenn, David war nicht ersetzbar, er war und blieb David, und es gab ihn nur einmal und –
    Es gab ihn, als Person, wenn sie recht hatten, nicht mehr.
    »Ich glaube Ihnen kein Wort«, sagte ich, drehte mich um und ging. Aber das stimmte nicht.
    Ich hatte die Bilder gesehen, ich war kein Mediziner, aber ich war auch nicht blind.
    Ich brachte es nicht fertig, noch einmal in das Zimmer zu gehen, in dem das lag, was einmal David gewesen war und nun nur noch atmete, künstlich beatmet wurde, und Blut durch Gefäße pumpte.
    Als ich an dem Haus vorbeifuhr, in dem ganz oben unter dem Dach Thorstens Wohnung lag, sagte ich laut: »Ich hasse dich, Thorsten Samstag«, aber auch das stimmte nicht, es war nur ein leerer, kindischer Satz.
    Ich konnte ihn nicht dafür hassen, dass er liebte. Denn das war es, was er tat, er liebte seine Kinder, er liebte sie in jedem Kind weiter, das er sterben sah, er hatte David vor sich gehabt und seinen Sohn gesehen. Und weil ich Thorsten nicht hassen konnte, beschloss ich, jemand anderen zu hassen.
    Rosekast.
    Diesen wahnsinnigen Alten, der es fertiggebracht hatte, ein Kind in einen kruden pseudo-philosophischen oder pseudo-religiösen Fanatismus hineinzutreiben – der gewusst hatte, was dieses Kind plante, ohne es davon abzuhalten.
    »Rosekast«, flüsterte ich, auf der Autobahn, während ich beschleunigte. »Sie und ich, ich und Sie, wir sind die einzig Schuldigen. Wenn man von Claas absieht. Ich komme. Ich komme Sie besuchen. Es gibt keine Entschuldigungen.«

13.
    Es war ganz leicht.
    Ich sagte Jarsen, ich käme wegen Davids Projekt und wegen der Kühe, und tatsächlich war das nicht ganz gelogen. Meine Gedanken waren seltsam klar und kühl, als ich mit ihm sprach.
    »Wegen der Kühe?«, fragte Jarsen. Er öffnete mir die Vordertür, und ich sah seine Frau auf dem riesigen Bild eine Weile an. Sie war sehr hübsch gewesen.
    Ich hatte den Hund zu Hause gelassen – ich konnte ihn nicht brauchen auf diesem Besuch und auch nicht bei dem, was ich danach vorhatte. Weder ihn noch Lotta.
    Und auch Lotta hatte den Anstand besessen, mir nicht zu begegnen. Natürlich, dachte ich, Lotta war auf seltsame Art weise.
    »Ja, es sind fünfzehn«, antwortete ich. »Wieder fünfzehn. David hat einen Teil von ihnen schon einmal entführt. Ich habe einen Plan, und dafür bräuchte man Kapital, aber es könnte sich lohnen.«
    »Sie haben geweint«, sagte Jarsen. »Sie sehen fürchterlich aus.«
    »Danke.«
    »Kommen Sie mit. Sie brauchen einen Schnaps. Erzählen Sie mir, was passiert ist. Und von den Kühen.«
    Er war eigentlich wirklich nett. Er fand die Idee, in den Bauernhof zu investieren und die Kühe sozusagen freizulassen, nicht schlecht. Ich weiß nicht, ob er die Paradieswerkstatt begriff, von der ich ihm erzählte. Er sagte, er glaubte, der Milchbauer hätte nichts dagegen, ein Biobauer zu werden, wenn jemand investierte, auch wenn es unter dem Strich für die Kühe wohl auf dasselbe hinauskäme.
    »Wer weiß«, sagte ich. »Für David kommt es nicht auf dasselbe hinaus.«
    »Ist er denn wieder da?«, fragte Jarsen.
    »Kann ich mal Ihre Toilette benutzen?«, fragte ich.
    Jarsen wartete in der Küche auf mich, wo wir gesessen hatten. Der Schnaps war nur ein Fingerbreit gewesen, aber ich hatte lange nichts gegessen. Der Schnaps half mir, auch weiterhin einen kühlen Kopf zu bewahren. Ich ließ das Wasser in der Toilette neben der Eingangstür laufen, falls Jarsen lauschte. Dann ging ich zu der Mantelgarderobe hinüber, die David beschrieben hatte. Ich griff hinter die Mäntel, fand die Tür, die nicht nach Narnia führte, und erschrak beinahe, als sie sich tatsächlich öffnen ließ. Jarsen war leichtsinnig, mehr als leichtsinnig. Er bewahrte sogar die Munition bei den Gewehren auf. Irrsinnig leichtsinnig.
    Ich verbarg das Gewehr und die Patronen in meinem eigenen Mantel, der an der Garderobe hing, und ging zurück in die Küche.
    Als ich Jarsen eine halbe Stunden später verließ, sah ich das Bild noch einmal an, und ich sagte, vielleicht nur, um ihn abzulenken: »Sie sollten sie abhängen.«
    »Ja«, sagte Jarsen. »Das werde ich. Ich habe gerade heute darüber nachgedacht.«

    In den ersten grünen Schatten des Waldes traf ich die einsame Spaziergängerin.
    Sie strich sich das schwarze Haar aus dem Gesicht, das der Frühjahrswind ihr in die Augen

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