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Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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saß ich in ihren abgebrochenen Ästen und schüttelte meine Fäuste gegen den Mond, ich, eine angetrunkene jähzornige nächtliche Geisterfrau, und fauchte die Nacht an.
    »Ich werde kein behindertes Kind haben«, fauchte ich. »Ich! Werde! Kein!«
    Schließlich brach ich in der Weide zusammen, als wäre auch ich nichts weiter als einer ihrer Äste, zerdrückt von meinem eigenen Gewicht. Was waren das für Worte, die ich da in die Nacht schrie?
    Natürlich, dachte ich, würde ich David genauso lieben, wenn er in einem Rollstuhl säße.
    »Es gibt sehr gute Rollstühle für Kinder«, flüsterte ich. »Es gibt gute Irgendwas für Kinder. Es gibt Armprothesen und Beinprothesen, die man wirklich bewegen kann und …« Ich brach ab. Da war etwas in der Dunkelheit gewesen, eine Bewegung am Fuße der Weide, und ich erschrak. Kamen die Wildschweine bis hierher? War es nur ein Reh? Der Hund, vielleicht? Oder etwas ganz anderes, ein Geschöpf, geboren aus Nacht und Wut?
    »Bist du das?«, fragte eine kleine Stimme von dort unten.
    »Ich glaube«, antwortete ich unsicher. »Ich glaube, ich bin ich. Ich bin Lovis, Davids Mutter.«
    »Also doch«, sagte die kleine Stimme, und da erkannte ich sie. Es war Lotta. »Warum hast du nichts an?«, fragte sie.
    »Warum rennst du nachts draußen herum, statt im Bett zu sein?«
    »Ich kann nicht schlafen«, sagte Lotta. »Ich muss immer an David denken. Manchmal turne ich nachts in den Weiden, wenn ich nicht schlafen kann. Glaubst du, … er sieht uns?«
    »Sieht uns?« Ich wischte mir mit dem nackten Arm durchs Gesicht, damit Lotta meine Tränen nicht sah, und merkte auf einmal, wie sehr ich schon wieder fror. Der Frühling war noch jung; nicht dazu gemacht, nachts nackt in Weiden zu sitzen.
    »Ja. David. Glaubst du, er sieht uns? Er hat mir mal erzählt, Buddatisten oder wie die heißen, die können medisieren, dann verlassen sie ihren Körper und schweben irgendwo rum und kommen später wieder zurück. Glaubst du, dass es bei David auch so ist?«
    Ich schluckte. »Glaubst du es?«
    »Manchmal«, sagte Lotta nachdenklich. »Manchmal fühlt es sich so an.«
    »Geh wieder nach Hause. Du erkältest dich.«
    »Du auch«, sagte Lotta, und ich nickte. »Wir können ja von ihm träumen«, sagte sie zum Abschied. »Beide, du und ich. David als Traum reicht sicher für uns beide, was.«

    Diesmal war ich lange blind.
    Ich saß da und starrte die Buchstaben von Eintrag 6 an und wurde nicht schlau aus ihnen. Ich legte meine Hände auf die Tasten der alten schwarzen Schreibmaschine, verschob sie nach oben, nach unten, nach rechts und nach links. Nichts funktionierte.
    Es war Morgen, das Haus war leer und still. Claas war in die Klinik gefahren, ich hatte ihn das Haus verlassen hören, und dann hatte ich am Fenster gestanden und seinem Auto nachgesehen.
    Ich hatte nicht geschlafen. Ich hatte die ganze Nacht in meinem Atelier gesessen, vor einer leeren Leinwand. Ich hatte versucht, mir eine Zukunft vorzustellen, in der David ein anderer David war.
    Und jetzt saß ich also hier, in Davids Zimmer, das wir vielleicht ins Erdgeschoss verlegen würden.
    In meinen Ohren sang die Müdigkeit, aber mein Puls raste, und ich konnte die Augen nicht schließen, es war, als gäbe es eine Sperre in mir, die sich gegen den Schlaf sträubte.
    Lotta hatte gesagt, wir könnten von David träumen.
    Ich hatte Angst, von David zu träumen. Von dem anderen David, der er sein würde, wenn er die Klinik verließ. Und plötzlich sprang ich auf und rannte die Treppe hinunter, Davids Projektmappe unter dem Arm. Claas musste sich geirrt haben. Natürlich. David hatte kein Bein verloren, es war alles ein Irrtum.

    Ich war noch nie so schnell in Rostock gewesen. Auf der Autobahn dachte ich, dass ich jetzt nicht rechtzeitig bremsen könnte, wenn plötzlich ein Kind vor mir auftauchte. Aber Kinder tauchen nicht einfach auf Autobahnen auf, egal, was der Fahrer des Unfallwagens sagte.
    Ich hastete über die Intensivstation, ohne jemanden zu grüßen, ich erreichte Davids Zimmer, versuchte einen Moment, zu Atem zu kommen, bemerkte den Schatten einer Schwester bei den Geräten, blinzelte ihn weg und schlug die weiße Decke zurück.
    »Frau Berek«, sagte jemand hinter mir. Thorsten Samstag.
    »Haben Sie denn immer Dienst?«, fragte ich, und meine Stimme klang ganz leer. »Ist nie ein anderer Arzt da?«
    »Zufall«, sagte Thorsten. »Immer, wenn Sie hier sind …«
    »Wir duzen uns doch«, sagte ich.
    Er räusperte sich, sagte aber

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