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Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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sein Geld, ohne die Milch?«, fragte Rosekast.
»Er muss sich neue Kühe anschaffen«, sagte ich, »aber die muss er anständig behandeln! Sie auf die Weide bringen und alles. Ich schicke ihm einen annonymen Brief, in dem steht, wenn er sie wieder nicht anständig behandelt, dann werden sie wieder freigelassen.«
»Es wird eine Menge Geld kosten, neue Kühe anzuschaffen«, gab Rosekast zu bedenken. »Und es kostet Geld, eine Weide zu kaufen oder zu mieten.«
»Dann wird er das wohl bezahlen müssen«, sagte ich und war beinahe ein bisschen böse, weil Rosekast so redete, als wäre er auf der Seite des Bauern. Er erklärte mir aber, das wäre er nicht, er wäre der Teufelsadvokat, was gut zum Paradies passt und bedeutet, dass er die Seite von dem vertrat, der meiner Meinung nach der Böse war, aber abwesend, und sich daher nicht selbst verteidigen konnte. Ein Teufelsadvokat ist nur da, damit die Diskussion weitergehen kann. Ich weiß nicht, ob ich dann der Gottesadvokat bin. Vielleicht.
Das bringt mich auf die Frage, ob eigentlich daraus, dass es höchstwahrscheinlich keinen Gott gibt, folgt, dass es höchstwahrscheinlich auch keinen Teufel gibt. Kann es nur beide zusammen geben?
»In jedem Fall«, sagte Rosekast, »gibt es die Kühe. Man muss in der Philosophie von den Dingen ausgehen, die man hat, nur von da aus kann man auf die abstrakten schließen. Den Bauern gibt es auch … Sind die Kühe also wichtiger als er, der Mensch?«
»Es sind mehr«, sagte ich, und das war eine richtig gute Antwort, oder, weil sie kurz war.
»Die Menschen stehen sonst mehr aufseiten der Menschen«, sagte Rosekast nachdenklich, »und die Kühe aufseiten der Kühe. Gewöhnlich.«
»Schließen Sie daraus, dass ich eine gewöhnliche Kuh bin?«
Er lächelte. »Oder ein ungewöhnlicher Mensch.«
Da lächelte ich. Ein ungewöhnlicher Mensch will ich nämlich gerne sein. Gewöhnliche Menschen gibt es schon zu viele (vielleicht mehr als Kühe), was wiederum in der Natur der Sache liegt.
»Überhaupt ist es Zufall, dass der Bauer ein Bauer ist und ich ich bin und die Kühe Kühe sind«, sagte ich. »Einer aus meiner Klasse hat nämlich bei der Religionswerkstatt was über Hinduismus erzählt, und bei den Hindus kann man ja als alles Mögliche wiedergeboren werden, auch als Kuh. Es gibt also gar keinen Unterschied zwischen Kühen und Bauern, außer in der äußeren Form.«
Darüber musste Rosekast wohl eine Weile nachdenken, und während er dachte, goss ich mit einer alten Kaffeekanne das Gemüse, das Lotta und ich in seinen Garten gepflanzt hatten.
Lotta war nicht mit an diesem Tag, weil sie zu Hause was helfen musste, und ich pflückte ein paar späte Astern für sie, die neben dem Gemüse wuchsen. Irgendwer musste früher mal Astern im Garten angepflanzt haben, Rosekast oder jemand anderer, denn jetzt wuchsen sie wild überall, obwohl es schon ziemlich kalt ist.
»Was werden die Kühe tun, wenn sie frei sind?«, fragte Rosekast, ehe ich ging.
»Das, was Kühe in freier Wildbahn eben so tun«, sagte ich, wusste aber nicht, was das war. »Vielleicht könnte das ein Unterprojekt meines Projektes werden. Herauszufinden, was Kühe so tun, wenn sie es selbst entscheiden können.«

Als ich auf dem Rückweg an der Tarzanschaukel vorbeikam, saß Lotta darauf. Die Schaukel, die nur ein dickes Stück Ast ist, hing ganz unten im Graben, das Seil schwang leicht hin und her, und Lotta baumelte mit den Beinen. Sie reichte mit den Füßen gerade nicht auf den Boden.
»Die Blumen sind für dich«, sagte ich. »Musst du nicht mehr zu Hause helfen?«
»Nee«, sagte Lotta und spuckte ihren Kaugummi aus. »Wir haben geputzt, aber dann ist Livia nach Hause gekommen, und Mama und sie haben gestritten, weil Livia immer nur nach Hause kommt, wenn es ihr gerade passt, und weil Mama wissen wollte, wo sie dauernd ist, aber Livia hat gesagt, das geht sie nichts an, und Mama hat gefragt, woher sie überhaupt das Kleid hat, das sie trägt, und dass sie sich’s schon denken kann, und da bin ich weg, weil sie angefangen haben, sich anzuschreien.« Sie roch an den Astern, die nach nichts rochen. »Die riechen gut«, sagte sie.
Ich sah sie mir an, wie sie so auf der Schaukel saß, mit den Astern in der Hand, und das Licht war so ein Spätnachmittagslicht, silbrig novembrig, und irgendwie war Lotta darin beinahe schön. Lovis hätte das malen können.
Und ich dachte, dass die ganze Paradieswerkstatt – denn so nenne ich sie jetzt manchmal zur Abkürzung – ein bisschen so

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