Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
Vom Netzwerk:
Lovis immer im Kamin verbrennt.
Celia blieb stehen, mitten im Regen, und sah den Mann an, ich glaube, sie war einfach zu erschrocken, um sich zu bewegen. Er starrte zurück, wie man ein Tier anstarrt. Ich sah ihn nur von schräg hinten, aber man sah auch von schräg hinten, dass er starrte. Das Kleid war wirklich sehr nass. Celia sah beinahe nackt aus darin, nackt mit einer dünnen Lage dunkler Farbe auf dem Körper, man konnte sogar die Nippel ihres Busens durch den Stoff sehen und vor allem ihren Bauch, der sich darunter vorwölbte, ein bisschen nur, aber doch sichtbar.
»Na, ich schätze mal, vierter Monat, was?«, sagte der Mann, und erst verstand ich nicht, was er meinte, aber dann verstand ich es doch. Falls Sie das nicht wissen: Er meinte, dass Celia ein Kind bekommt. Ich weiß gar nicht, wie alt Celia genau ist, nicht so alt, dass sie ein Kind bekommen sollte, glaube ich.
»Ist der Vater ein Kunde von der Marie?«, fragte der Mann im Regenmantel. »Hilfst du jetzt ’n bisschen aus, wie?«
Celia schüttelte langsam den Kopf. Der Mann lachte. Dann stieg er auf sein Fahrrad, sehr langsam, und sagte noch: »Das ist ja mal ’ne Neuigkeit, was. Wirst uns sicher noch erzählen, für wen du die Beine breit gemacht hast. Du bist ja viel zu blöd, um’s nich irgendwann zu erzählen. Bis da können wir ’n paar Wetten abschließen. Hey!« Er drehte sich um, und ich sah, dass da jemand die Straße entlangkam, sehr fest in einen Novembermantel gewickelt. Es war die einsame Spaziergängerin.
»Hey, Sie! Wissen Sie schon, wer sich ein Baby machen lassen hat?«, rief der Mann, aber die Spaziergängerin sah nicht aus, als interessierte sie das. Sie war wieder zu sehr in Gedanken versunken. Sie ging einfach weiter. Da fuhr der Mann auf seinem Fahrrad weg, wahrscheinlich, um anderen Leuten die Neuigkeit zu erzählen.
Celia sah ihm nach. Dann hob sie den Wäschekorb hoch und ging zur Seitentür des Hauses.
»Warte!«, rief ich. »Ich … ich muss dich was fragen.«
Celia blieb stehen. Sie legte die Hand auf ihren Bauch, als wollte sie das, was darin wuchs, vor weiteren Fragen schützen. Und als sie mich ansah, presste sie die Lippen fest aufeinander.
»Ich will nichts darüber fragen«, sagte ich. »Das geht mich nichts an. Den Typen auch nicht. Ich wollte fragen … kannst du mir den Schlüssel für die Kühe besorgen?«
Und dann erklärte ich ihr ganz schnell, dass ich die Kühe befreien musste, weil sie Platz brauchten und weil es zur Paradieswerkstatt gehörte, und dass ich es nachts tun würde, und Celia arbeitete doch dort, sie könnte doch den Schlüssel entleihen, nur für eine Weile, das würde sicher niemand mitbekommen.
Celia hörte mit schiefgelegtem Kopf zu. Der Regen rann über ihr Gesicht und der Regen rann über mein Gesicht, und auf seltsame Weise verband uns das.
Schließlich nickte Celia langsam. »Platz braucht jeder«, sagte sie. »Einen Ort, wo man ihn in Ruhe lässt. Auch Kühe, das versteh ich. Aber einer muss die Kühe melken. Immer.«
»Platzen sie sonst?«, fragte ich und lachte. Aber Celia guckte mich ganz ernst an.
»Die machen ja ständig Milch«, sagte sie. »Das ist denen so angezüchtet. Wenn keiner die Milch holt, tut das den Kühen weh. Ich kann sie melken. Wenn du mir sagst, wohin du mit den Kühen willst.«
»Nirgendwohin«, sagte ich. »Sie sollen doch frei sein. Vielleicht laufen sie in den Wald, keine Ahnung.«
»Dann muss man sie suchen, im Wald«, meinte Celia. »Um sie zu melken. Aber, David. Ich geh nicht in den Wald, ich hab Angst. Es ist zu dunkel da im November.«
»Vielleicht kann Rosekast melken«, sagte ich. »Der wohnt ja im Wald.«
»Wer?«, fragte Celia.
»Rosekast. Kennst du den nicht?«
»Nein«, sagte Celia. »Ich weiß, dass da mal einer gewohnt hat, im Wald, aber das ist schon ’ne Weile her. Und der hieß auch anders.«
»Vielleicht hat er sich umbenannt?«, sagte ich. »Jedenfalls bin ich nicht sicher, dass er melken kann, und deshalb ist es wohl besser, du bringst es mir bei, bevor ich die Kühe befreie.«
In diesem Moment ging die Vordertür auf, und darin erschienen die Marie und Lotta. Die Marie ist ja immer ein bisschen groß und dick, aber neben Lotta sah sie noch größer und dicker aus. Sie trug ein sehr kurzes, rotes Kleid und dazu graue Trainingshosen, die sie vielleicht gerade übergezogen hatte, weil sie keinen Kunden hatte. Und sie hielt Lotta am Kragen gepackt wie eine junge Katze.
»Ich hab nur«, sagte Lotta gerade.
»Natürlich hast du nur«,

Weitere Kostenlose Bücher