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Paradiessucher

Paradiessucher

Titel: Paradiessucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rena Dumont
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genauso neu wie die rustikale Küche. Auf dem dunklen Parkplatz vor ihrem Kofferraum, beim Verkauf, hat sich Emilka immer äußerst vorsichtig verhalten, als wäre sie eine Kupplerin, Dealerin, Diebin. »So, ich gehe jetzt zum Bäcker und hole uns was Leckeres zum Frühstück.« Wahrscheinlich kann sie unsere Gedanken lesen, die Kluge. Wir sind froh, dass sie bereit ist, uns diesen Dienst zu erweisen, für uns da zu sein, uns einen Kaffee zu kochen.
    Dass sie zum Bäcker gehen will, finde ich allerdings komisch, denn bei uns geht man vor dem Frühstück nie zum Bäcker. Wozu auch? Um was zu holen? Brot? Davon gibt es doch genügend vom vorigen Tag. Brot kauft man bei uns in der Mittagspause, zwischen zwei Arbeitsschichten, aber nicht morgens. Interessante Sitten, denke ich. Gibt es hier überhaupt rohlíky ? Hoffentlich ja, denn ohne rohlíky wäre das Leben hier nur halb so schön.
    »Emilko, da, nimm das Geld.«
    Mutter reicht ihr einige Scheine. Emilka lächelt uns an.
    »Ach, behalt das, es ist viel zu viel, Nadi. Das bisschen Gebäck spendiere ich euch.«
    Sie geht. Ich male mir den atemraubend duftenden, salzigen, köstlichen rohlík aus, mit einer knusprigen hellen Kruste und weichem Inneren, zart wie Watte. Unvergesslich.
    Emilka kommt mit zwei Papiertüten zurück, und wir können unsere Neugier kaum im Zaum halten. Sie ist, seit wir sie zuletzt gesehen haben, älter und dicker geworden.
    »Was haben Sie denn da geholt, Emilka?«
    »Eine Spezialität, die ihr noch nie gegessen habt, meine Lieben. Ihr werdet sie zu Hause vermissen, das garantiere ich euch.« Sie reißt die Tüten auseinander, und krumme rohlíky erscheinen in voller Pracht.
    » Rohlíky , Emilko?«, lächeln wir zufrieden.
    »Nein, nein, Croissants, Leni. Sie heißen Croissants und haben mit rohlíky nicht das Geringste gemeinsam.«
    Und Emilka lacht, weil sie sieht, dass uns nicht nach ihren Krossangs oder wie die heißen zumute ist.
    »Leni, die schmecken toll, ganz Frankreich isst sie.«
    Ich beiße rein, bin enttäuscht. Die Franzosen können mich kreuzweise. Die krumme Stange ist nicht das, was ich mir erhofft hatte. Der Teig schmeckt nach Apfelstrudel, das Süße stört mich. Mein Gaumen sehnt sich nach einem rohlík mit einer fetten Wurst. Mutter kaut brav und schweigt dabei. Sie ist müde, ich sehe es ihr an, sie isst, weil sie essen muss, hat aber keine Ahnung, was sie da tut. Sie ist in anderen Sphären, wie in Trance. Meine arme, überforderte Mutter.
    Wir verbringen bei Emilka gerade einen Vormittag, und schon sitzen wir wieder in unserem Fiat. Emilka, ahnungslos, lässt uns gehen, wünscht uns eine gute Weiterreise, in dem Glauben, dass wir uns in einigen Monaten wieder in Pùerov auf dem Parkplatz treffen.
    Schade, dass wir nicht im Urlaub sind! Ich würde gerne aussteigen und durch die Stadt bummeln, gucken, was die Leute so tragen. Nein, das geht jetzt nicht, wir müssen uns eine Übernachtung organisieren. Es ist anstrengend. Mit den entfernten Verwandten in Aalen haben wir nichts Konkretes besprochen. So werden wir sie überfallen.

NÄCHSTE AUSFAHRT AALEN
    »Mami, erinnerst du dich noch, wie Olin Trubka nackt gesehen hat?«
    »Nö.«
    »Doch, du erinnerst dich! Das war lustig. Trubka hat bei uns übernachtet, wir beide haben in meinem Bett im Kinderzimmer geschlafen, weißt du noch?«
    »Ach ja. Olin und Ivana sind morgens zu uns gekommen. Wollten Trubka abholen.«
    »Genau.«
    »Olin stürzte in euer Zimmer. Und Trubka lag noch da …« Mutter wird auf einmal fröhlich.
    »Genau.«
    Olin ist ein Optimist mit einem schelmischen Zwinkern in den Augen. Am liebsten neckt er schwache, liebe Wesen wie meine Cousine Trubka. Sie lässt sich alles gefallen, lacht selber mit und macht sich nichts draus, wenn andere auf ihre Kosten Spaß haben.
    So ist es an jenem Sonntag vor vier Jahren gewesen. Trubka hat, wie so oft, bei uns übernachtet. Am Abend davor hatte sich die gesamte Familie zu Unmengen von belegten Brötchen und Sekt versammelt und gefeiert. Es gab Toffifee und Fa-Seifen aus Deutschland, es war großartig. Trubka und ich haben, spärlich bekleidet, die obligatorische Tanzeinlage zu einem ABBA-Song gegeben. Olin hat dazu, um unseren Dilettantismus zu enthüllen, Witze und Bemerkungen gemacht. Er war wirklich gut. Trubka verlor öfter das Kostüm und stand mit bloßen Brüsten da – wenn man das bei einer Zwölfjährigen so nennen kann. Die Runde lag vor Lachen am Boden.
    Am nächsten Morgen stürzte Olin, als wir noch

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