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Paradiessucher

Paradiessucher

Titel: Paradiessucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rena Dumont
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Erfahrung mit Alkohol hatte keine von uns. Hier und da tranken wir mal einen Schnaps auf einer Hochzeit oder ein Bier, um nicht aufzufallen. Harmlos. Was wir uns an diesem Abend, an dem wir uns bewusst betrinken wollten, leisteten, könnte ich als mein Trauma bezeichnen.
    Wir kauften uns im Tante-Emma-Laden eine Flasche Wodka. Drobina gab eine Menge Kohle dafür aus. Wir planten die Saufaktion für den Disco-Donnerstag im Nationalgarten. Die Luft war sommerlich mild, unsere Haut, von der prallen Tagessonne gequält, brannte heiß und glänzte unter den bunten Birnen der Lichterketten. Die Hits, eine Mischung aus tschechischen Interpreten und internationaler Musik der Achtzigerjahre, kannten wir Wort für Wort auswendig. Nur die tschechischen Interpreten natürlich.
    Der Garten, der einem bayerischen Biergarten ähnelte, füllte sich allmählich mit Jugendlichen. Der Laden war in kürzester Zeit rappelvoll. Wir kannten alle, alle kannten uns. In einer kleinen Stadt kennt jeder jeden. Pavel, obwohl er immer wieder mit Kumpels wichtige Dinge besprechen musste, beobachtete mich mit einem Auge, so wie ich immer wieder nach ihm schaute. Es war eine stinknormale Disco, doch für uns war sie heimisch, warm, gemütlich, bekannt, und trotzdem noch aufregend, trotzdem noch neu und unerforscht. Genau das, was uns heute an diesem Abend so schmerzhaft fehlt. Damals war ich »zu Hause«.
    »Wir können doch nicht hier so öffentlich trinken?!«, sagte Trubi mit aufgerissenen Kinderaugen. Sie bemühte sich, immer ihr Gesicht wie eine Bravo-Berühmtheit zu bemalen, und es sah herrlich grotesk aus. Die grünen Lidschatten leuchteten über dem Rot ihrer runden Wangen. Ich liebte sie für diese Kuriositäten besonders.
    Die weniger grelle, aber doch fesche Drobina hielt die dunkelblaue Stofftüte fest in der Hand, deren Henkel von einem durchsichtigen Plastikschlauch verschönert wurden, wie es im Osten üblich war. Jeder Haushalt besaß diese Stofftasche.
    »Natürlich trinken wir nicht hier auf der Tanzfläche, Trubi. Das müssen wir anders organisieren!«, sagte Drobi und schaute mich fragend an. »Oder?«
    »Wir müssen ihn irgendwo verstecken.« Ich kam mir verdammt clever vor.
    »Ja, verstecken!«, rief Trubi.
    »Sei still! Nicht so laut!«, keifte Drobina sie an, als wäre sie ihre Mutti. Drobina hatte immer etwas Mütterliches an sich. Ich kann mir sehr genau ausmalen, wie sie mit ihren Kindern kommunizieren wird. »Wie wäre es im Park, im Pavillon?«, sagte sie dann.
    »Ja, das ist eine gute Idee«, antwortete ich begeistert, und Trubi machte es mir sofort nach: »Eine gute Idee!«
    Wir schlichen wie drei Detektivinnen in den Park, der sich neben der Nationalgarten-Disco befand. Die Dämmerung war schon fortgeschritten, was uns aber keineswegs störte. Im Gegenteil, es wurde immer spannender. Die Flasche platzierten wir hinter einer Parkbank im Pavillon und waren sehr stolz, eine so gute Lösung gefunden zu haben.
    »Jetzt nimmt jede einen Schluck, abgemacht?«
    Und ich holte die Flasche verschwörerisch aus dem Versteck, öffnete sie und nahm den beißenden Geruch des starken Getränks wahr. »Puh, stinkt das.«
    »Zeig …!«
    Und schon hielt sich Drobina die Flasche unter die Nase.
    »Ich auch«, sagte Trubi, und statt daran zu riechen, goss sie sich einen ordentlichen Schluck in die Gurgel.
    »Puah, gib her!«
    Ich nahm ihr die Flasche so vehement aus den Händen, dass sie beinahe zu Boden fiel.
    »Du spinnst, wir haben noch gar nicht angestoßen und du besäufst dich schon«, sagte ich fast verärgert.
    Trubi hustete und zerknautschte das bunt geschminkte Gesicht.
    »Das ist ja pisswarm und eklig«, meinte sie, war aber offensichtlich guter Dinge, da sie noch mal nach der Flasche greifen wollte.
    »Finger weg!«, sagte ich und zog die Flasche fester an mich.
    »Dann hättest du sie bei dir zu Hause in den Kühlschrank stellen sollen, und wenn es dir nicht passt, dann trink das Zeug halt nicht!«, sagte Drobina.
    »Du hast sie unter deinem Arm zum Kochen gebracht«, antwortete Trubi, während auch ich einen kräftigen Schluck nahm und das Gesicht auf die gleiche Weise zerknautschte.
    »Dann trink es nicht, hab ich dir schon gesagt«, wiederholte Drobina und nahm ebenfalls einen Schluck.
    »Gib her«, lachte Trubi.
    Ihre roten Hamsterbäckchen glühten himbeerrot.
    »Hol sie dir.«
    Drobina sprang hoch wie eine Gazelle und ließ Trubi, die wesentlich kleiner und pummeliger war, hinter sich herjagen. Beide rannten um den

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