Paradiessucher
einzige Mann, der sich über eine eventuelle Schwangerschaft Gedanken macht. Auch das ist neu für mich.
Chris ist wenig behaart, das mag ich, ich kralle mich mit meinen Fingern in seine feste weiße Haut, während er auf mir liegt, bis sie ganz rot ist, ich umklammere seinen Bauch mit meinen Beinen wie ein Affe, damit kein Fitzelchen meines Körpers einen Spalt zwischen uns lässt. So bin ich ganz mit ihm vereint, und so möchte ich bleiben. Mich nicht rühren. Das macht er aber nicht mit, er bewegt sich. Wenn sich sein Glied in mir ganz groß anfühlt, warte ich ein wenig. Eine Stille. Das lässt sich nicht in Worte fassen. Die Ruhe vor dem Sturm. Und wenn es langsam wehtut, lasse ich ein wenig nach mit dem Druck und bewege mich leicht kreisend. Chris hält es dann nicht mehr lange aus, dann entzieht er sich mir schweigend, bevor sein Glied zu platzen droht. Das bedauern wir beide. Aber Chris ist eben gewissenhaft.
ICH UMKLAMMERE DIE KNIE MEINER MUTTER
»Mama, die hatten eine Sauna!«
»Sag bloß«, antwortet Mutter.
Ich packe meinen Kram aus der Reisetasche. Mutter rührt in einem Topf die Lauchsuppe. Sie duftet herrlich.
»Ohne Scheiß! Eine private Sauna!«
»Solche Ausdrücke mag ich nicht, Lenko.«
Die Reisetasche ist leer, und ich versuche sie an den Haken zu hängen, der stümperhaft an der Tür befestigt ist, in der Hoffnung, dass die Bademäntel und Handtücher nicht mitsamt der Tasche runterfallen.
»Warst du drin?«, sie schaut unentwegt in den Topf und ist merkwürdig bedrückt, gar nicht wie sonst.
Solche Sachen interessieren sie normalerweise brennend. Wieso plötzlich diese Schweigsamkeit?
»Na logisch!«
»Allein?«
»Na klar.«
»Und war’s gut?«
»Hm … klasse.«
»Wo war Chris?«
Meine Mutter glaubt wohl, dass wir nur Händchen halten, anders kann ich mir diese Fragerei nicht erklären.
»Der hat draußen gewartet. Er erträgt die Hitze nicht, weißt du, Mama?«
»Nicht?«
»Und wir haben einen Haufen Polizeiautos gesehen«, lenke ich ab.
»Und?«
»Ja, nichts, die sind an uns vorbeigefahren.«
Sie dreht am Knopf des transportablen Elektroherds und holt zwei tiefe Teller aus dem Schrank.
»Was ist mit dir?«
»Nichts.«
»Glaub ich nicht.«
»Du hast einen Brief aus Zirndorf bekommen.« Sie schaut mich immer noch nicht an.
»Was?«
»Ja.«
»Und das sagst du mir erst jetzt?«
»Ja.«
»Wann?!«
»Was wann?«
»Na, wann sollen wir hin! Das ist doch … das ist doch super, Mama!«
Ich bin enthusiastisch und doch nicht unbeschwert, ein kleines Fitzelchen Sorgen lastet auf mir. Jetzt ist es so weit, wir werden bald ausziehen. Die Trennung von Chris steht quasi vor der Tür.
»Du fährst hin.«
Sie spielt die Normalität verdammt schlecht. Die roten Ohren verraten ihre Erregung sofort, die zittrige Stimme kenne ich nur zu gut, sie fürchtet sich.
»Warum?«
»Ich habe keinen Brief bekommen.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Der Brief ist nur an dich adressiert! Verstehst du? Nur du bist in Zirndorf vorgeladen! Auf mich scheißen sie!«
»Blödsinn!«
»Nein!«
»Wo ist er?«
»Der Brief?« Sie schluchzt ganz leise, einzelne Tränen tropfen in die Lauchsuppe.
»Mein Gott, ja, Mutter.«
»Auf dem Fensterbrett. Komm jetzt essen.«
Ich springe auf, gehe zum Fensterbrett, und dort liegt er. Den Inhalt des Briefes kann ich leider nicht wirklich verstehen, aber eines steht fest: Es handelt sich tatsächlich um eine Vorladung nach Zirndorf. Für mich allein. Ohne meine Mutter. Ihr Name steht nicht drin.
»Den muss ich mir übersetzen lassen, Mama. Chris muss mir das erklären. Ich hab keine Ahnung, was da steht. Mach dich doch nicht verrückt, wenn wir gar nicht wissen, was da steht!«
»Bin ich mit irgendeinem Sterbenswörtchen in diesem Brief erwähnt?«
Ich durchforsche noch mal Zeile für Zeile. Nichts. Der Brief gilt nur mir, meine Mutter steht nicht drin.
»Ich kann es doch nicht lesen, Mama.«
»Du wirst doch meinen Namen lesen können, oder? Du Esel.« Zum ersten Mal höre ich sie mich schimpfen wie meine Großmutter.
»Mami, dein Brief ist sicher noch unterwegs.«
»Das glaube ich nicht. Ganz sicher nicht. Frau Schmidt hat deinen schon vor drei Tagen gebracht, und sie hat ihn schon seit einer Woche. Sie hat alle Briefe dann auf einmal mitgenommen …«
»Und hat Frau Schmidt etwas zu dir gesagt?«
Frau Schmidt ist unsere Helferin, eine herzensgute Person. Eine treue Begleiterin für alle Ausländer im Lager. Was würden wir ohne Frau Schmidt
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