Paraforce 3 - Jagd auf einen Totengeist
ohne seiner Verletzung weitere Beachtung zu schenken, und ging erneut auf Schütte zu, der aus dem Mund blutete, wahrscheinlich, weil er sich auf die Zunge gebissen hatte, und kopfschüttelnd auf seine zerschnittenen Hände starrte. Er befand sich in einer Schockstarre und erkannte die Gefahr nicht, in der er sich befand.
»Stehen bleiben!«, keuchte Ben, doch der Besessene hörte nicht. Erneut schoss Ben. Er sah ein Loch in Cendrics Jeansjacke, auf Höhe seines Herzens. Dieser Treffer stoppte ihn. Gurgelnd brach er in die Knie. In dieser Position blieb er für einige Sekunden hocken, während Blut aus der Wunde spritzte, dann kippte er langsam zu Boden. Schwer stieß er mit dem Kopf gegen ein Regal, das ins Wanken geriet.
Schließlich wurde Ben Zeuge eines unheimlichen Vorgangs und er starrte hin, obgleich ihm speiübel war vor Schmerz und Schreck. Eine zitternde Wolke löste sich von dem reglosen Mann und hing einige Sekunden durchscheinend und fahrig über seinem Körper. Ben konnte in ihr keine menschliche Gestalt erkennen, überhaupt keine klare Kontur; dennoch wurde er das Gefühl nicht los, dass sie Ben voller Hass betrachtete. Die Wolke verblasste wie Zigarettenrauch und verschwand schließlich wie ein Dieb in der Nacht. In der gleichen Sekunde löste sich auch das Messer auf, das bislang noch neben Cendric am Boden gelegen hatte.
8
Andreas Schüttes Hände sahen furchtbar aus. Die Klinge hatte verheerende Spuren hinterlassen. Der kleine Finger sowie der Ringfinger der linken Hand hingen lediglich noch an Haut- und Sehnenfetzen und baumelten leblos am Handteller und würden sich beim geringsten Druck lösen wie reifes Fallobst vom Baum. Aber auch alle anderen Finger waren so tief zerschnitten, dass Ben das Muskelgewebe zucken und pulsieren sah, das aus den tiefen Schlitzen im Fleisch quoll. Tiefe Gräben zerteilten Schüttes Handteller in zwei Hälften, die immer wieder aufklafften und sich mit Blut füllten. Die Blutung war immer noch sehr stark. Ben blickte in das Gesicht des Verletzten; vorhin noch war es blass gewesen, jetzt hingegen war es so bleich und überdies von einer dünnen Schweißschicht überzogen, dass Ben sich ernsthafte Sorgen um den Mann machte, der ihm ohne Zweifel das Leben gerettet hatte. Ben fummelte sein Handy aus der Jacke und rief den Notruf an, dem er die Adresse und eine kurze Schilderung der Ereignisse gab.
Dann wählte Ben die Nummer von Stefan Crenz, der versprach, so schnell wie möglich zu kommen. Erleichtert steckte Ben Fuller das Handy weg und ging ins Badezimmer. Der Weg dorthin war nicht weit, aber er spürte, wie seine Knie immer stärker zitterten. Er stützte sich am Waschbecken ab und blickte in einen schmutzigen Spiegel, der darüber hing. Erschrocken stellte er fest, dass sein Gesicht hinter einer Maske aus Blut hervorlugte. Ben wusch es notdürftig sauber, dann machte er sich auf die Suche nach sauberen Handtüchern, die er Andreas Schütte geben wollte, doch bevor Ben fündig werden konnte, klingelte es an der Tür. Er drückte den Türöffner und wartete auf den Besuch.
Im Wohnzimmer hockte weiterhin Schütte mit totenbleichem Gesicht am Boden und starrte auf seine Hände. Hin und wieder hörte Ben ihn schluchzen.
Im Haus herrschte eine gewisse Unruhe. Die Schüsse waren nicht ungehört geblieben. Als Ben die Wohnungstür öffnete, sah er die Köpfe zweier Mitbewohner zwischen den Metallstreben des Geländers an der Treppe. Mit großen Augen schauten sie zu ihm empor.
Die Sanitäter eilten die Treppe empor und zwängten sich an den Neugierigen vorbei. Gleich dahinter sah Ben den Kriminalhauptkommissar. Er kam ohne seine Leute, was den Schluss zuließ, dass er bereits in der Nähe von Schüttes Wohnung gewartet hatte.
»Gehen Sie zurück in Ihre Wohnungen. Hier gibt es nichts zu sehen«, sagte Crenz beiläufig. Er wartete, bis die Schaulustigen seinen Worten folgten, dann gesellte er sich zu Ben. Ein Sanitäter kümmerte sich um die Platzwunde, während Ben dem Kriminalhauptkommissar in aller Ausführlichkeit Bericht erstattete.
»Dann stimmt es also«, sinnierte der Mann leise, »irgendwie ist es dem Geist Bürgers möglich, andere Menschen unter Kontrolle zu bringen und sie zu steuern. Wenn sie tot sind, verlässt er sie, und das Messer, mit dem sie zuvor mordeten, verschwindet. Aber warum ausgerechnet Baltic, der seinen Freund umbringen sollte?«
»Das liegt doch auf der Hand«, entgegnete Ben. »Zoltan Nenth wollte Mitwisser und potentielle
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