Paragraf 301
Pfeifenstiel und nuckelte.
»Ich weiß«, erwiderte der Fremde. »Deswegen frage ich. Guter Mann, schnelle Arbeit.« Er kramte in seiner ausgebeulten Hosentasche und zog ein Feuerzeug hervor. »Feuer?«, fragte er und drehte am Zündrad.
Wortlos wischte Bauer Heinsohn dem Mann das Feuerzeug aus der Hand und brannte seine Pfeife wieder an. Man wartete nicht, wenn man es gewohnt war, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel zu schaffen.
Nachdem der Fremde sein Feuerzeug wiederbekommen hatte, zog er aus der Innentasche seines Jacketts eine Zigarettenschachtel hervor, klopfte eine Zigarette heraus und steckte sie an.
Nun hatten sie etwas Gemeinsames, sie rauchten, und es hätte gemütlich sein können. Heinsohn starrte auf die Schuhe des Fremden, der Fremde auf den grünen Mützendeckel, der auf der zusammengesunkenen Gestalt in den verdreckten Arbeitsklamotten klebte. Sie schwiegen eine Weile. Die Kühe standen hinter den Fressgittern, käuten wieder und schnauften verwundert.
»Denn wart sonne Schou ober fix schieterig!«, brummelte Bauer Heinsohn endlich, diesmal etwas deutlicher.
»Natürlich. Das sind auch keine Arbeitsschuhe.«
»Versteihst Platt?«
»Ein wenig.«
»Woneem büst du her?«
»Ich stamme aus der Türkei.«
»So. Ssü so, ’n Kümmeltürke, wa?«
Der Fremde lächelte. »Die gibt’s bei uns auch, ja.« Er hatte schnell geraucht und zerdrehte nun die Kippe mit dem Schuh. Bauer Heinsohn nuckelte an seiner Pfeife, nestelte mit der freien Hand im Stroh umher und drehte geistesabwesend lose Halme zwischen seinen Fingern. Er schien den Besucher vergessen zu haben. Der betrachtete den ausgemergelten Bauern aus braunen Augen, in denen das Weiße nicht weiß war, sondern hellbraun wie Milchkaffee und schlierig glänzte.
»Ick bruuk hier keen«, sagte Heinsohn endlich.
Quast hatte einen Türken, aber Quast war ein Arschloch. Jedes Frühjahr stritt Heinsohn mit ihm um den Wasserstand in den Gräben. Quast wollte Wasser für seine Obstbäume, falls es Frost gab, und Heinsohn wollte, dass seine Weiden und Äcker endlich trocken wurden. Quast war ein Zugereister aus dem Alten Land, ein geiziger Mann mit anmaßendem Bauch, der seine Frau schlug, wie jeder wusste. Mit dem würde er, Heinsohn, sich nicht auf eine Stufe stellen, indem er sich auch einen Türken anschaffte.
»Ich werde ihn mal vorbeischicken«, erwiderte der Kümmeltürke. »Sie können ihn ja ausprobieren. Er ist wirklich sehr tüchtig.« Drehte sich um und ging fort.
Ausprobieren! So hatte Quast auch geredet. Er hätte mehrere Türken ausprobiert.
Der Fremde hatte den gepflasterten Platz vor dem Stall noch nicht verlassen, als er ein Stöhnen hinter sich hörte.
Bauer Heinsohn war rücklings auf den Strohballen zurückgefallen. Die Pfeife lag zwischen seinen Füßen. Er beugte sich weit vor, die Haare vorm Gesicht, und massierte fluchend mit beiden Händen seinen geschwollenen rechten Fuß. Schließlich stopfte er sich die Pfeife in die Joppentasche und stand mit einem zweiten Stöhnen auf, langsam diesmal, das Gewicht auf dem linken Bein.
Aber das sah der Fremde schon nicht mehr, denn er hatte sich wieder umgedreht, weil man eines kranken Mannes Blöße nicht bestarrte. Mit ruhigem Schritt ging er den langen Weg zurück zur Straße, seine aufragende Gestalt wurde kleiner, bis sie sich verlor zwischen dem Geäst der Birken, an denen die letzten braunen Blätter im Novemberwind schwankten.
Heinsohn ließ sich erneut auf das Stroh fallen und stieß einen langen lästerlichen Fluch aus, während er seine Mütze am Knie ausklopfte. Er drehte seine Haare auf der Glatze zurecht, stülpte die Mütze darüber, nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche und stopfte seine Pfeife neu. Eine zweite Pfeife hatte er seit Monaten nicht geraucht. Er hatte eigentlich keine Zeit. Die Kühe. Aber der Alkohol betäubte seinen Willen, er blieb sitzen und nahm noch einen Schluck. Er brauchte keine Hilfe auf dem Hof. Zwar fehlten am Nordgiebel des Hauses etliche Bretter, der Giebel sah aus wie Heinsohns Gebiss, und er musste dringend die Löcher auf dem Weg zum Hof mit Brocken füllen, der Briefträger hatte schon öfter festgesessen; noch dringender musste er die maroden Betonrippen über dem Güllekeller im Boxenlaufstall auswechseln, sonst brachen bald die Kühe durch; im Grunde benötigte der Stall auch neuen Holzschutz und an zwei Stellen waren die Firstkappen zerbrochen, es regnete durch. Am allerdringendsten aber musste er zwanzig Hektar
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