Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paragraf 301

Paragraf 301

Titel: Paragraf 301 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Eggers
Vom Netzwerk:
interessiert.
    Witt riss den Kopf nach oben. Er verdrehte die Augen und pfiff durch den gespitzten Mardermund. »Ein sogenannter Wasserschaden. Unten im Keller. Und stellen Sie sich vor, was alles im Keller war: die ganzen teuren Möbel, Zigtausende wert …«
    »Dann sind die wohl hinüber«, vermutete Schlüter.
    »Stimmt«, erwiderte Witt und versuchte, ein pfiffiges Gesicht zu machen. »Aber nicht so, wie Sie denken …« Er hatte einen Hühnerstall entdeckt, wollte aber nicht verraten, wo.
    »Hören Sie«, sagte Schlüter und blätterte im Gesetz. »Wir sind hier nicht in einer Quizsendung. Wenn Sie mir was erzählen wollen, dann raus damit.« Er hasste Rätsel.
    »Hinüber schon. Aber nicht im Eimer. Hinüber zum Oberkreisdirektor, das garantiere ich. Und wer weiß, zu wem noch. Jedenfalls sind die Sachen weg. Testamentsvollstrecker ist doch der Rothenfels aus Großenborstel, Sie wissen doch, der ehemalige Landrat. Das stand auch in der Zeitung.«

    »Sie wollen doch wohl nicht erzählen, dass der Oberkreisdirektor und dieser Rothenfels sich die Möbel der Gräfin unter den Nagel gerissen haben? Wie kommen Sie darauf?« Schlüter klappte das Bundesgesetzblatt zu, stand auf und legte den Band auf den Ablagetisch. Ob er das Hemmstedter Tageblatt wieder abonnieren sollte?
    »Das will ich Ihnen sagen. Die haben den Wasserschaden inszeniert. Hat mir der Hausmeister erzählt. Er war über Silvester in Urlaub, sie haben ihn regelrecht weggeschickt, und als er am 3. Januar wiederkam, war der Keller leer – aber alles nass. Die Wasserleitung sei geplatzt, hat Dieken ihm erklärt, leider habe man die Möbel entsorgen müssen. Auf die Müllkippe. Bei Madaus, Sie wissen schon. Aber der Hausmeister schwört, er habe den Haupthahn zugedreht. Das macht er immer, sagt er, bevor er wegfährt.«
    Schlüter faltete die Hände unterm Kinn. »Frost war ja nicht die letzte Zeit. Und es lief kein Wasser mehr? Gar keins?«

    »Nee«, freute sich Witt. »Der Hausmeister sagt, der Keller war nass, aber es lief kein Wasser mehr. Kein Tropfen.«
    »Da müsste die Leitung repariert worden sein, bevor der Hausmeister wiederkam, oder?«
    »Das ist sie auch«, triumphierte Witt. »Hat mir der Hausmeister erzählt. Aber vorher müssen sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion alles abtransportiert haben. Anders kann es nicht gewesen sein. Nur Dieken und Rothenfels wissen, was wirklich war, wenn Sie mich fragen – und Madaus, wer weiß, was der dafür gekriegt hat, dass er die Klappe hält. Der entsorgt doch den Müll im Landkreis. Und natürlich die Leute, die den Keller leer geräumt haben, die wissen auch Bescheid. Das können die beiden Bonzen ja nicht alles allein gemacht haben. Richtig arbeiten können die doch überhaupt nicht!«
    »Tja«, meinte Schlüter. »Hört sich schräge an, das muss ich zugeben. Und wieso sagt der Hausmeister das nicht laut?«

    »Weil ihn keiner fragt. Ganz einfach. Und weil er keine Kündigung kriegen will – und wieso soll er das überhaupt von sich aus sagen, hä? Man mischt sich doch nicht ein, wenn …«

    »Tja«, meinte Schlüter noch einmal. »Verbrecher aller Orten. Die Welt ist schlecht. Aber uns hilft das hier nicht weiter. Wir haben es mit dem Staatsanwalt, dem Finanzamt, dem Arbeitsamt und vielleicht noch der Krankenkasse zu tun. Und nicht mit dem Oberkreisdirektor.«
    »Mir schon klar. Fällt mir auch nur so ein. Denen tut man nichts, aber mir wollen sie ans Leder. Die kleinen Leute …«
    »Tja«, meinte Schlüter zum dritten Mal. »Aber hängen wird man Sie nicht. Höchstens ein bisschen bestrafen. Davor kann ich Sie nicht retten. Sie können dem Staatsanwalt schlecht erzählen, der Türke habe ohne Ihr Wissen auf Ihrem Bau gearbeitet.«
    »Wohl nicht«, murmelte Witt. Aber dann straffte er sich, seine Nasenwurzel kerbte sich, er machte den Rücken gerade, starrte Schlüter aus engen Augen an und erklärte: »Aber eins will ich Ihnen sagen, Herr Rechtsanwalt, bevor die mich hochnehmen: Ich lass mich nicht fertigmachen, vorher besorge ich mir eine Knarre und nehme noch ein paar von denen mit.«
    Witt malte das Massaker aus, er ging seine Ausrüstung durch, Schnellfeuerwaffen, eine Pumpgun, Granaten würde er besorgen, den Bürokraten würde das eigene Gehirn um die Ohren fliegen, und seine Augen glühten großmächtig. Schlüter stellte fest, dass Witt im Unterkiefer nur noch vier braune Zähne hatte. Die Backen waren schon hohl.
    Solche Fantasien hörte Schlüter in der letzten Zeit öfter, der

Weitere Kostenlose Bücher