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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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seinen halbgeöffneten fleischigen Lippen, mit seinen stumpf metallisch glänzenden Augen, seinem Kürbiskopf nach, und doch hätte ich mich mit ihm jedem Beliebigen gezeigt.
    Ich wusste, was ich tat, wusste, dass er oder die anderen es verstanden.
    Ich gehe noch bis zur nächsten Gaslaterne.
    Das würde der zweite Satz in der stummen Sprache der Verführung sein.
    Ich hatte mich so weit gebracht, ihre schweigende Sprache zu sprechen.
    Die Gasflamme in ihrer Glasglocke flackerte mit einem von scharfem Gelb zu Weiß und von Weiß zu Blau wechselnden Licht, doch sobald es die Glasglocke verließ, verlor sich sein Blau, verkümmerte sein Gelb, mischte die Nacht Grautöne hinein.
    Zwischen zwei Gaslaternen tauchte man im dunstgefüllten Uferdämmer ein.
    Ich wollte die nächste so rasch wie möglich erreichen, um den zweiten Satz der Geheimsprache sagen zu können. Würde ich bei der nächsten Gaslaterne nicht stehen bleiben, hätte das wieder eine andere Bedeutung. Ich werde auf die andere Seite der Promenade hinüberwechseln, meine Absicht klarmachen. Langsam zurückspazieren, und das wird für ihn wie ein Geständnis sein, ein Vorgeschmack meines als Opfer dargebrachten Körpers.
    Aufgeregt wird er seine Zigarette austreten und ein wenig aus dem Schatten der Bäume hervorkommen, das wird seine Antwort sein. Er wird den Schlitz seiner weiten Hose aufknöpfen, damit ich es sehe, da, ich habe für dich meinen Hosenschlitz aufgemacht.
    Auf einmal hatte ich das Gefühl, dass es vielleicht doch nicht er sei, dass ich mich getäuscht hätte. Eine Gestalt, die halb hinter dem knospenden Jasmin verborgen war. Wir hätten in Bezug aufeinander keine Zweifel mehr, wir würden uns verstehen. Obwohl es klar war, dass ich mit diesem hinreißenden Mann keine zwei Sätze tauschen könnte, überhaupt, wovon sollten wir denn reden. Auch er würde ja die zwischen uns bestehende Distanz sofort spüren. Es ging ein solches Gefühl von Behaglichkeit und Sicherheit von ihm aus, dazu das stumme Lachen, dass ich mein ganzes Leben mit ihm hätte verbringen mögen, so viel war sicher.
    Zumindest hatte meine Phantasie ein weiches Versteck, in dem sogar das möglich war.
    Bis ich zurück bin, wird sein Schwanz für mich stehen, nur für mich. Beim Näherkommen sehe ich seinem Hals und seinen Schultern an, dass er in der Deckung der Büsche brutal an sich arbeitet. In gebührender Distanz bleibe auch ich stehen, mit dem Rücken zum Wasser, auch mich verdeckt der Jasmin vor den Blicken der anderen. Ich wusste es im Voraus, wollte es so machen wie sie, damit es kein Missverständnis mehr zwischen uns gab. Es soll bedeuten, dass wir uns begehren und niemanden sonst; um meinetwillen muss er auch seinen schnurrbärtigen Gehilfen fallenlassen. Auch ich habe meinen Schlitz aufgemacht, endlich können wir uns ins Gesicht sehen, über den Busch hinweg, der unsere Körper verbirgt, ich greife mir in die Unterhose und hole ihn heraus, vor panischer Angst ist er zusammengeschrumpelt.
    Alles geschah genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte, nur stand auf der anderen Seite des Gebüschs nicht der ältere Mann, nicht der schwarzhaarige Riese in seinem hässlichen, engen Zefirhemd, das zwei Nummern zu klein war für seinen Brustkasten. Ich hätte ja schon vorher das grobgewebte, quergestreifte Matrosentrikot sehen können. Manchmal sieht man zur gleichen Zeit das, was man sieht und was man stattdessen sehen möchte. Aus einem hellen Gesicht leuchteten mir zwei dunkel glänzende, erschrockene, leicht erstaunte Äuglein entgegen.
    Ich konnte nicht weg, obwohl es besser gewesen wäre, wenn mich meine Enttäuschung gleich verjagt hätte.
    Sein Blick war wie der eines Kindes, aber in seinen Zügen saßen scharfe dunkle Falten, auf seiner eingebeulten Stirn durchschnitten zwei senkrecht verlaufende drei waagrechte. Auch seine blutroten prallen kleinen Lippen saßen zwischen zwei Falten, die auf sein stark stoppeliges Kinn hinunterliefen, seine mageren Wangen waren ebenfalls gefurcht. Als wären bei ihm zwei verschiedene menschliche Wesen übereinandergeschrieben. Sein gekräuseltes dunkles Haar klebte in zerzausten Locken an seinem Schädel und wuchs ihm ungepflegt in den kindlich zarten Nacken hinunter.
    Ich war angerührt von seinem Äußeren, auch wenn ich sofort wusste, dass ich ihn wegen des Riesen gleich stehenlassen würde.
    Er hatte eine schmale lange Nase und einen starken Adamsapfel, vor Aufregung schluckte er dauernd. An seinen kräftigen Unterarmen waren

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